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Gedanken zum Erdüberlastungstag

Dass gestern Erdüberlastungstag war, hat mich überrascht. Ich dachte nämlich, der war schon im Mai. War er auch, bei uns in Deutschland! Gestern war Erdüberlastungstag für die Welt als Ganzes. D.h. ab gestern leben wir ALLE für den Rest des Jahres auf Pump. Was das heißt, dass erklärt wunderbar Ralf Seppelt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in diesem 12-Minütigen Vortrag hier:

Daraus geht hervor, dass der Erdüberlastungstag in der Sechzigern noch im Folgejahr lag, in den Siebzigern bereits am 31. Dezember und jetzt eben ganze sechs Monate früher, Tendenz verschlechternd. Das bedeutet, dass alle Auftritte auf den großen Bühnen der Welt mit all den großen Verkündungen ins Leere laufen, weil messbar der Zustand der Welt immer schlechter wird. Erdüberlastungstag bedeutet, das ab diesem Tag alle Ressourcen aufgebraucht sind, die die Erde hergibt und ab diesem Zeitpunkt eine Überlastung stattfindet, die sich in Zerstörung, Erderwärmung und Verschmutzung ausdrückt. Ralf Sippelt erklärt ganz konzentriert und verständlich, warum das so ist und was aus seiner Sicht die größten Hebel sind, um diese Entwicklung zu stoppen. Dabei nennt er zwei Hebel: Den CO²-Ausstoß und die damit verbundene Erderwärmung sowie das Artensterben, das sich immer weiter beschleunigt.

Wie kann das Artensterben gestoppt werden

Ersteres, also der CO²-Ausstoß, liegt an jedem einzelnen von uns. Wir können das stoppen, indem wir unser Verhalten ändern, Fahrrad statt Auto fahren, auf Fleisch verzichten, weniger fliegen und so weiter. Letzteres, das Artensterben, ist komplexer. Ich musste bei dem Beitrag von Ralf Seppelt an eine Dokumentation denken, die ich gesehen habe, DAS GESETZ DER SERENGETI. Etwas so Gutes habe ich im Leben sehr selten gesehen! Dabei stößt Biologe und Regisseur Nicolas Brown auf die Forschungsarbeit von Bob Paine und Gefolgsleuten in den Sechzigern, die den Begriff der KEYSTONE-SPECIES geprägt haben. Sie haben herausgefunden, dass es Tiere gibt, die System-relevant sind für Ökosysteme und dass ohne diese Spezies die Systeme kollabieren. Ohne diese Spezies reduziert sich die Artenvielfalt in Systemen rapide, und das betrifft alle Pflanzen und alle Tiere in diesem System. Sprich: Manche Tiere sind wichtiger als andere. Mit großem Erfolg ist es durch genau diese Forschungsarbeit gelungen, Ökosysteme zu reparieren, zum Beispiel durch die Wiederansiedlung des Wolfes im Yellowstone-Nationalpark, durch den Schutz des dezimierten Gnus in der Serengeti, des Fischotters in Küstengebieten oder einer Spinne in asiatischen Reisfeldern, die zuvor Pestiziden zum Opfer fiel. Das Artensterben ist also ausgelöst durch den Eingriff des Menschen in die Systeme, sei es durch Angst von Raubtieren (Der Wolf wird getötet, das Wild hat keine Feinde mehr und frisst die Bäume kahl, Vögel haben keinen Lebensraum mehr, und so weiter), durch den Einsatz von Pestiziden (die Spinne stirbt, ein Käfer vermehr sich, der frisst die Felder kahl, die Menschen haben nichts zu Essen mehr) oder durch Fischerei (die Orcas finden keine Nahrung mehr, schwimmen an die Küste , fressen die Fischotter, das System kollabiert). Der Mensch vernichtet also die Systeme, weil er von alle diesen Zusammenhängen NULL KOMMA NULL Ahnung hat. Ich denke da zum Beispiel gleich an die Wolfdebatte bei uns und mit wieviel Unkenntnis diese geführt wird. Der Wolf ist nicht s anderes als eine Keystone-Spezies, ohne die das System kollabiert!

Die Natur kann sich erholen

Als ich den Beitrag in der Tagesschau gesehen habe und das Artensterben dort als Hauptursache genannt wurde, musste ich unweigerlich an DAS GESETZ DER SERENGETI denken und an Nicolas Brown. In der Folge bin ich auf einen Vortrag von ihm gestoßen (einen ganz tollen Vortrag), in dem er die Erkenntnisse dieser Forschungsarbeit ganz konkret anwendet, und zwar mit riesigem Erfolg. Es stimmt hoffnungsvoll, dass durch Menschen wie ihn verhindert wurde, dass eine asphaltierte Straße durch die Serengeti gebaut wird, der Erhalt der Keystone-Spezies (das Gnu) damit gesichert ist und damit das System Serengeti als Ganzes. Durch diese Erkenntnisse verzichten heute die Bauern in den asiatischen Reisfeldern auf den Einsatz von Pestiziden und lagen Habitate für die Spinnen an. Das heißt, dass die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Regierungen und Bevölkerung entscheidend ist, aber letztlich die Wissenschaft federführend sein muss.

Ich finde, dass muss der Ansatz sein für das massivste Problem unserer Zeit, das Artensterben und damit zusammenhängend der Klimawandel. Wir benötigen Forscher, die verstehen, wie die Systeme funktionieren, und wir brauchen sie in den obersten Etagen der Regierungen und als Vermittler zwischen Regierung und Betroffenen in der Bevölkerung. Es ist ein Armutszeugnis, dass man hierzulande den Wolf abknallen möchte, weil man zu dumm ist, Zusammenhänge zu verstehen, dies aber in Afrika scheinbar jedem einleuchtet. Wissenschaftler an die Macht! Nur sie können in Anbetracht der Zeitknappheit, die wir zur Lösung all dieser komplexen Probleme haben, mit kühlem Kopf gezielt Prozesse der Regeneration einleiten. Dazu sind „normale“ Politiker schlichtweg überhaupt nicht in der Lage, das merkt man schon an der Tempolimit-Debatte. Ich plädiere deshalb für freie Hand der Wissenschaft, und zwar JETZT! ÜBERALL!

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