Film, Musik,  Impressionen

Victoria

Sebastian Schippers ‘Victoria’ räumt beim deutschen Filmpreis alles ab

Sechs ‘Lolas’ – bester Film, beste Regie, beste Kamera, beste Musik, beste Schauspieler – so viel zu den nackten Fakten. Die junge Spanierin Victoria (Laia Costa Bertrán) verlässt tief in der Nacht einen Berliner Nachtclub und trifft auf vier junge Männer. Aus dieser zufälligen Begegnung wird eine rauschende Nacht mit einem Ausgang, den sich niemand hätte erträumen können. Victoria ist eine Hommage an Berlin, an die Facetten, die diese Stadt ausmachen und weshalb Menschen aus aller Welt hierher strömen. Weil sie etwas suchen, was anderswo nicht möglich ist. Doch die harmlose Begegnung nimmt eine schicksalhafte Wendung. Sebastian Schippers (Lola rennt) Victoria ist alleine schon der Kameraführung wegen etwas Einzigartiges. Der Film wurde in einer einzigen Kamerasequenz gedreht, von Anfang bis zum Schluss, ohne Schnitt. Mit der Musik des Pianisten Nils Frahm untermalt, entstand ein toller Film, der keinen kaltlassen wird.

Worum gehts?
Diese eine Szene, als sich Victoria ans Klavier setzt und in die Tasten drückt, Sonne (Frederick Lau) neben ihr sitzt und ihr dabei zusieht, wie sie in Extase verfällt und dann in eine endgültige Traurigkeit. Das ist es, was großes Kino ausmacht.

Mit wenigen Mitteln ist so viel gesagt. „Du hast magische Hände”, sagt Sonne, der um Worte ringt. Sie sollte in Konzerthallen spielen und nicht mitten in der Nacht in diesem Café, in dem sie für vier Euro die Stunde arbeitet. Victoria lebt seit wenigen Monaten in Berlin. Zuvor, erzählt sie ihm, wollte sie Pianistin werden, spielte sechzehn Stunden pro Tag, jahrelang. Bis ihr Lehrer ihr entgegnet, sie sei nicht gut genug. Jetzt sei sie hier, in Berlin. Ist das der Grund, weshalb sie sich auf die vier Jungs, Sonne, Blinker (Burak Yiğit) , Boxer (Franz Rogowski) und Fuß (Max Mauff) einlässt? Gleichzeitig ist dies vielleicht auch eine Anekdote an die vielen Menschen aus Südeuropa, die vielen hochbegabten Italiener, Griechen und Spanier, die in der Heimat keine Hoffnung mehr haben? Der Film stimmt einen in vielen Ebenen nachdenklich.

Schicksalhafte Wendung
Auf die vier Jungs trifft sie, nachdem sie aus einem Berliner Club, den es so nur in dieser Stadt geben kann, auf die Straße läuft, um das Café aufzumachen, in dem sie arbeitet. Diese sind sichtlich angeheitert und Sonne kommt sogleich mit ihr ins Gespräch. „We are real Berlin guys, not Zugezogene, you know, we can show you the real Berlin”, sagt er, während er sich eine Zigarette anzündet, was er ab diesem Zeitpunkt im Minutentakt macht.

Absolute Giganten – Ein weiterer toller Film von Sebastian Schipper. Drei Freunde vor der letzten Nacht. Einer wird gehen, weil es Zeit ist, zu gehen.

Der Zuschauer wird sich entzürnt fragen, wie sich eine junge Frau um diese Uhrzeit auf vier betrunkene und bekiffte Jungs einlassen kann, mitten in der Nacht, doch die Klavier-Szene später erklärt alles. Die vier zeigen ihr Berlin, das Berlin der Nacht. Es wird ein Streifzug über die Dächer die Stadt, ein einziger Flirt von Sonne und Victoria untermalt mit einem endlosen bezaubernden, schwärmerischen Dialog der beiden. Ein Flirt zweier Menschen, die keine Sorgen kennen, denen egal ist, was morgen ist. Irgendwann, als sie im Café ankommen, das Victoria gerade zur Öffnung fertig machen will, bekommt Boxer einen Anruf. Ehemals im Knast, ist er einem ehemaligen Mithäftling noch einen Gefallen schuldig. Für ihn muss er einen Auftrag erledigen, und zwar gleich, und zu viert. Als Fuß aber völlig betrunken ausfällt, fragt Sonne schließlich Victoria , ob sie einspringen könne. Als sie die Frage mit ja beantwortet, hat sie keine Ahnung, was ihr bevorstehen wird. Am Tag danach jedenfalls wird sich ihr Leben verändert haben und nichts mehr so sein, wie es war.

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