Mit dem Zug nach Südtirol – warum ein umweltfreundlicher Familien-Urlaub in Südtirol ganz ohne Auto wunderbar funktioniert
Ich habe großes Glück, an diesem Dienstagabend auf Schloss Sigmundskron zu sein, wo Reinhold Messner eines von sechs Messner Mountain Museums untergebracht hat. Der Abend legt sich über Südtirol. Und während die Sterne zu leuchten beginnen, wird auf einer großen Wiese ein Feuer entzündet, um das sich Menschen aller Generationen mit Decken gruppieren und warten, bis er kommt, Reinhold Messner. Über diesen Abend habe ich bereits im Rahmen eines anderen Artikels berichtet, aber auf einen Teil des Gesagten möchte ich in diesem Text hier vertieft eingehen, weil er sich auf die Thematik bezieht, worum es hier gehen soll, nämlich nachhaltig zu reisen. Messner greift wiederholt die „Städter“ an, die ihre Probleme aus den Metropolen mitbringen und ins Gebirge tragen. Beispielsweise erwähnt er, dass es nicht richtig sei, dass quasi ALLE Touristen mit ihren riesigen Autos täglich alle Passstraßen verstopfen, um auf eine für einen Alpinisten wie ihn völlig unverständliche Art das Gebirge zu erleben. Aber eben nicht wirklich erleben, sondern lediglich aus einer Art Postkartenperspektive. Das alles wird gemacht im Wissen, dass Gletscher schmelzen, der Permafrost auftaut, Wälder austrocknen. Das Auto sei eine großartige Erfindung, sagt Messner, aber diese Art der Nutzung einfach falsch. Man müsse die Gebirge schützen und dazu gehöre eine Art Tourist, der behutsam und ohne Spuren zu hinterlassen in das Gebirge eintrete um das zu finden, was ihm fehlt – Ruhe, das Gefühl, ausgeliefert zu sein, Weite. Die Suche nach dem Kick, die Durchlöcherung ganzer Felsen mit Bohrhaken und die Interpretation ganzer Wälder als Rennstrecken für E-Mountainbiker habe nichts mit diesem Gedanken zu tun. Auf diese Weise zerstören wir genau das, was wir sehnlichst suchen. Reinhold Messner spricht mir an diesem Abend aus der Seele, denn ich finde richtig, was er sagt. Und dass ich hier bin, ist der Beweis dafür, dass man auch ganz ohne Auto, ohne großen CO²-Ausstoß eine ganz wunderbare Zeit an einem Ort wie diesem haben kann.
Nach Südtirol mit dem Zug – über Zeit, Geld, CO²-Footprint, Gepäck, Entspanntheit – es gibt viele Gründe, mit der Bahn zu reisen
Auf der Welt gibt es ungefähr 1.3 Milliarden Autos, das ist völlig absurd und dieser Fakt macht die Vorteile, die ein Auto von der Ideologie her hat, nämlich schnell zu sein, zunichte. Warum? Weil das Auto weitestgehend nur noch stockend vorankommt, weil wirklich alles voll ist mit Autos. Die Alternative ist also die Bahn. Machen wir uns nichts vor: Züge fallen aus, bleiben stehen, gehen kaputt und dann kommt man zu spät, ist klar. Tatsache ist aber auch, dass sich ziemlich jeder über fünf Minuten Zugverspätung aufregt, keiner aber über eine Stunde Stau, über Wochen und Monate Herumstehen auf das Leben gerechnet. Auf diese Art und Weise rechtfertigen wir uns selbst die Nutzung des Autos, was absurd ist, unfair, und unfundiert. Wir sollten also in die Bahn einsteigen ohne diese unabrückbare Vorstellung, dass diese auf die Minute tausende Kilometer zurücklegen kann. Das macht weltweit keiner, nur wir. Ich weiß das, weil ich in vielen Orten auf diesem Planeten gelebt habe, niemals ein Auto besaß und die Bahn seit jeher das Fortbewegungsmittel meiner Wahl war. Wenn in Vietnam ein Zug drei Stunden zu spät kommt, dann kommt er eben drei Stunden zu spät. Und wenn ich eine Stunde später in Südtirol ankomme, dann mache ich mir keine Platte, sondern bleibe da ganz cool. Und außerdem: Lässt sich eine Autofahrt von Berlin nach Südtirol auf fünf Minuten genau planen? Ganz sicher nicht!
Jetzt aber zu unserer Fahrt nach Südtirol: Wir fahren von Berlin mit nur einem Zwischenstopp in München nach Bozen. Von dort wird es weitergehen nach Meran. Die Fahrtkosten, hin- und zurück, kosten circa 250 EUR für uns Elties und unseren Kleinen. Das ist konkurrenzlos zu einem Mietauto, für das man für zweieinhalb Wochen mehr als 500 EUR ohne Sprit, ohne Vignetten und ohne Strafzettel berappen muss. Bei dem Ticket handelt es sich um einen EUROPA-Sparpreis mit Bahncard 50. Im Worst-Case würde man also das Doppelte zahlen, was es aber trotzdem billiger machen würde als die Fahrt mit einem Mietauto. So viel zum Thema Geld – vorerst. Kommen wir zum Thema Zeit. Normalerweise würde der ICE von Berlin in drei Stunden nach München durchrasen. Das macht er heute nicht, wegen Bauarbeiten. Dennoch ist er in knappen 5 Stunden trotzdem schneller da als jedes Auto. Einmal umsteigen in München und weiter geht es durch die Alpen und ohne jedes Problem erreichen wir gegen 18 Uhr Bozen nach nunmehr circa 9 Stunden Fahrzeit. Mit dem Auto – nicht zu schaffen! Selbst ohne Stau, was unmöglich ist, wären elf Stunden fällig gewesen, Minimum. Unser CO²-Abdruck bisher: 0,0! Hätte man diese Fahrt mit dem Auto zurückgelegt, entspräche das circa 200 KG CO². Hört sich wenig an? Nun, es bedarf 16 ausgewachsene Buchen, um so viel CO² aus der Luft zu filtern. Mit der Rückfahrt und dem Gefahre vor Ort gehen also locker 40 Buchen drauf. Was das bedeutet auf die Masse gerechnet, wird schnell klar, wenn man vom Zug aus an unendlich vielen Auto vorbeifährt. Das ist eine CO²-Masse, die Millionen von Bäumen entspricht, an einem einzigen Tag, völlig nutzlos und unnötig hinaufgetragen in unsere Atmosphäre. Meine Bahn hier fährt komplett mit grünem Strom, das macht mich stolz. Wenn es alle so machen, dann überlegt euch jetzt mal, wie viel CO² auf diese einfachste Art und Weise gespart werden könnte. Zugleich kommt man entspannt an, ohne Ärger. Wir klappen den Tisch aus, essen zusammen, betrachten die Landschaft. Das entschleunigt, bereitet vor, beruhigt. Wie sieht es mit dem Gepäck aus? Wir haben zwei große Rücksäcke dabei, eine Kiepe (Kraxel, wie auch immer man das Ding nennt), einen Rollkoffer und eine große Tasche, die man auf den Rollkoffer stellen kann. Das ist alles zu zweit transportierbar, und zwar problemlos. In diese Taschen passt alles rein, was man für zwei Wochen braucht. Ich spreche aus Erfahrung, wenn ich sage, dass der Platz, den man in einem Auto hat, ganz egal wie groß dieser ist, immer voll ist. Fährt man mit einem Peugeot 206, ist der voll, fährt man in einem Kombi, ist er voll, fährt man mit einem VW-Bus, ist der voll. Selbst ein Omnibus wäre voll, so sind wir Menschen. Aber lasst euch gesagt, sein: Alles, wirklich alles was man braucht passt in zwei Rucksäcke + Koffer.
Unterwegs vor Ort und Auswahl der idealen Location
Kommen wir nun zu dem Teil, der bei der Planung des Urlaubs einen etwas größeren Zeitaufwand darstellt, die Auswahl der Unterkunft. In unserem Fall haben wir uns für eine Ferienwohnung in Obermais entschieden, im Prinzip ein unmittelbar an Meran angebundener Vorort bzw. Stadtteil, und zwar aus folgenden Gründen:
- Obermais ist problemlos und in kurzer Zeit mit dem Bus zu erreichen, sowohl vom Bahnhof Meran aus als auch von der Innenstadt. Das heißt man hat das Problem der Versorgung (Einkauf, Restaurants, solche Sachen) gelöst, ebenso auch den Transport des Gepäcks. Hohe Taxikosten gibt es also keine.
- Obermais ist wunderbar ruhig gelegen mit Blick auf die Berge und über Apfelplantagen hinweg. Das heißt diese Location ist eine Art Zwischenlösung zwischen einer Unterkunft in Meran (wäre uns zu städtisch, nicht erholsam genug) und abgelegener Hütte (dafür bräuchte man dann halt ein Auto), sprich: Ein guter Kompromiss, bei dem man beides hat.
- Von Obermais gibt es eine gute Busanbindung zu nahezu allen Wanderausgangspunkten, ob nun Waalweg-Wanderung oder zu Touren mit alpinem Charakter, es ist alles möglich.
- Gleich in unmittelbarer Umgebung gibt es bereits Ausgangspunkte zu Unternehmungen, für die andere mit dem Auto extra anreisen müssen, zum Beispiel zur Gondelstation Meran 2000, die wie der Name schon sagt hoch hinauf führt, den Sissiweg, den Maißer Waalweg, den Tappeinerweg, die Gärten von Schloss Trauttmansdorf und nicht zuletzt der Meraner Höhenweg, der zu den schönsten Wanderungen in ganz Südtirol zählt.
- Die Unterkunft bietet Fahrräder an, das heißt ein weiterer Vorteil des Autos (nämlich Fahrräder mitzunehmen) ist wettgemacht. Man hätte das Fahrrad auch mit dem Zug mitnehmen können. Aber wozu der Stress, wenn die Unterkunft welche hat? Darauf sollte man also achten.
Man sieht also, es ist kein Auto notwendig. Im Gegenteil. Wir begegnen in unserem Urlaub immer wieder Menschen, die völlig entnervt ihr Auto im Hotel stehen lassen, weil sämtliche Parkplätze an Wanderausgangspunkten immer sehr teuer sind und obendrein auch oft komplett voll. Man parkt dann trotzdem irgendwo und kann sich sicher sein, dass ein gelber Zettel an der Scheibe hängt, wenn man nach einem tollen Tag zum Auto zurückkehrt. Wie sieht es nun mit den Kosten aus, also Fahrtkosten mit dem Bus. Dazu gibt es eine Karte mit 10,- 25- oder 50 EUR-Kontingent am Bahnhof zu erwerben. Diese Karte hält man bei jeder Fahrt an das Lesegerät im Bus und ein Betrag von etwa 1.50 EUR pro Fahrt und Person wird jedes Mal abgebucht. Es gibt auch eine 3- oder 7-Tageskarte, die sich aus unserer Erfahrung heraus aber nicht lohnt, weil man so viel Bus dann doch nicht nutzt. Man sieht also, dass man durch die Reise mit der Bahn und Bus nicht nur viel Geld und ein Haufen CO² spart, sondern auch viele Nerven und die Erkenntnis, dass man ein Auto wirklich nicht braucht.
Unterwegs vor Ort
Und jetzt bekommt ihr von mir eine Liste von Touren und Unternehmungen, die wir zu dritt von Meran aus unternommen haben. Das nimmt euch hoffentlich die Angst, aus Mangel eines Autos irgendetwas verpassen zu müssen. Ganz im Gegenteil, wir kamen in den vollen Genuss von allem, was das wunderschöne Südtirol zu bieten hat. Alle diese Touren waren mit unserem Kleinen problemlos möglich, gute Fitness und Kraft zum Tragen einer Kraxel vorausgesetzt.
- Gärten von Schloss Trauttmansdorf
- Maiser Waalweg
- Messner Mountain Museum Bozen
- Ifingerhütte
- Wanderung um den Hirzer
- Hoch hinauf mit der Meran 2000
- Tappainer Weg
- Schenner Waalweg
Gärten von Schloss Trauttmansdorf
In dieser in den Hang gebauten, 12 Hektar großen Gartenlandschaft kann man gut und gerne einen ganzen Tag verweilen und den Kindern wird es dabei ganz sicher auch nicht langweilig. 80 verschiedene Landschaften aus der ganzen Welt finden sich hier in Form von Gebirgs,- Kultur- und Naturlandschaften mit einem Fokus auf seltenen Pflanzen, Themen und auch der typischen Südtiroler Vegetation. Kinder kommen nicht zu kurz, weil die Gärten gleichermaßen Freizeitattraktion sind. So finden sich neben durch den Dschungel wackelnde Hängebrücken, Licht- und Klangspielen, einer Papagei-Voliere, einer Picknickwiese, einer Strandlandschaft mit weißem Sand, riesigen Wasserbecken zum barfuß drin rum planschen und echten Bienenstöcken noch viele weitere, faszinierende Orte in diesem botanischen Garten. Kein Wunder, dass die Gärten von Schloss Trauttmansdorf zum schönsten Garten Italiens ausgezeichnet wurden und im Jahr 2013 sogar zum internationalen Garten des Jahres.
Maiser Waalweg
Von Meran aus lässt es sich wunderbar entlang der Passer Richtung Saltaus wandern. Unterhalb des Schennabergs verläuft der Waalweg, der aus der Passer gespeist wird, durch Wald- und Wiesenlandschaften sowie Obsthaine, die im Frühling wunderschön blühen. Steigungen gibt es so gut wie keine, und über dem Tal laufend ergeben sich tolle Blicke nach Schenna und in die Dörfer Kuens und Riffian. Von Saltaus gelangt man mit dem Linienbus nach Meran zurück.
Messner Mountain Museum Bozen
Das MMM Firmian auf Schloss Sigmundskron ist eines von mehreren Museen, dass Reinhold Messner in Südtirol aufgebaut hat und so toll, dass man stundenlang darin verbringen kann. Thematisch widmet sich das Museum der Auseinandersetzung zwischen Berg und Mensch. In die Burgruine platziert sind viele Installationen und in den Gebäuden und Türmen selbst verschiedene Ausstellungen zu der Entstehung des Museums, Berg-Kulturen, den höchsten Bergen der Welt, Expeditionen usw. Wer im August hier ist hat die fantastische Gelegenheit, mit anbrechender Dämmerung Reinhold Messner persönlich zu begegnen. Im Burghof wird ein Feuer entzündet und kuschelig auf Decken liegend unter dem Sternenhimmel hat man das Privileg, den Worten dieses außergewöhnlichen Menschen zu lauschen. Ich war da und mich hat dieser Abend sehr bereichert. Wie das war, erzähle ich hier.
Ifingerhütte
Die Ifingerhütte ist absolut klasse. Mit dem Bus lässt sich die Taser Talstation bei Schenna problemlos erreichen und mit der Seilbahn geht es in schwindelerregende Höhe bis zur Bergstation. Dort angekommen, ist man in einer regelrecht anderen Welt. Der Wanderweg 18A zur Ifingerhütte ist größtenteils sehr schön und führt über mal breite, mal schmale Trails immer höher hinauf. Er beginnt an der Taser Alm auf 1.450 Meter Höhe und führt durch dichten Nadelwald den Schennaberg hinauf. Die Ifingerhütte, die man nach etwa 2.5 Kilometern erreicht, ist auf einer tollen Almwiese gelegen, hinter der der mächtige Ifnger Gipfel hinaufragt. Das Essen ist großartig, das Bier auch, eigentlich alles. Von hier aus lassen sich weitere Wanderungen wie zum Beispiel den Lawand Gipfel unternehmen.
Wanderung um den Hirzer
Von Saltaus aus, das man super mit dem Bus von Meran aus erreicht, bringt einen die Seilbahn auf sagenhafte 1.980 Meter. Ab der Bergstation erstrecken sich viele Wanderwege um das Hirzer Hochplateau. Der Ausblick in die Umgebung ist grandios, man sieht ewig weit über etliche, schneebedeckte Berge hinweg und bis tief hinunter ins Meraner Becken. Es gibt einige Almen auf den verschiedenen Trails dort oben, und den Rückweg mit der Gondel kann man sowohl von der Bergstation als auch von der Mittelstation aus in Angriff nehmen.
Tappainer Weg
Dies ist DER Spazierweg und kann sich rühmen, zu den schönsten Höhenpromenaden Europas zu gehören. Vin Meran aus geht es den Hang des Küchelberges hinauf und von dort aus etwa drei Kilometer weit nach Gratsch. Alpine und mediterrane Vegetation schmücken den Weg und wirklich eine Tolle Aussicht über Meran hinweg in die Berge. Weil der Weg kaum Steigungen hat, eignet dieser sich auch sehr gut für den Kinderwagen.
Schenner Waalweg
Dieser Waalweg ist noch schöner als der Maiser Waalweg. Man startet oben von der Talstation Meran 2000 aus und wandert durch Mischwälder und Obstwiesen bis nach Schenna.
Meraner Höhenweg
Dieser gilt als eine der schönsten Rundwanderwege des Alpenraumes, der in 5 Tagesetappen bewältigbar ist. Wir haben diesen nicht gemacht, aber erwähnt werden muss er einfach. Wer diesen wandern möchte, sollte in jedem Fall geübt und trittsicher sein, was Bergsteigen angeht. Ggf. lassen sich auch einzelne Etappen machen.
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