Wald im Nebel
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T.C. Boyle: Ein Freund der Erde (Buchrezension)

T.C. Boyle – es ist kaum zu fassen, wie dieser Autor Jahr für Jahr grandiose Geschichten hervorbringt, wo man doch manchmal denkt, das Pulver müsste doch langsam verschossen sein. Ich spreche von Büchern wie Wassermusik, America oder Die Frauen. Als ich ihn in Berlin zu einer Lesung zu hart auf hart erlebte, war ich zum ersten Mal enttäuscht. Mir war zunächst einmal die Geschichte zu düster, die er aus Sicht eines zu Gewalt neigenden Einzelgängers beschrieb, um die derzeitige Situation einzeln agierender Terroristen, was ja ein aktuelles Thema ist, zu interpretieren. Anderseits fand ich es sprachlich einfach nicht mehr so ansprechend. Vielleicht war es Zeit für mich, eine Boyle-Pause einzulegen? Wie dem auch sei, ich nehme das zum Anlass, ein älteres Buch von dem Autor vorzustellen, das meiner Meinung zu wenig Beachtung fand im Vergleich zu anderen Werken, Ein Freund der Erde nämlich. Für mich gehört dieser Roman, den viele als etwas schwierig erachten, zu seinen besten.

Der Mensch als Unheilsbringer
Die Story springt zwischen zwei Zeitetappen hin und her. Zunächst ist da das Jahr 2025. Der Protagonist Ty Tierwater lebt in einer düsteren Zukunft. In seiner Heimat, dem Norden Amerikas, regnet es permanent. Der Mensch hat das Klima vollends ruiniert und den Planeten in ein einziges, trauriges Pflaster verwandelt. Man sieht also gleich, Boyle widmet sich hier einem seiner Lieblingsthemen, dem Bösewicht Mensch, der seine Umwelt zugrunde richtet und immer alles noch schlimmer macht, als es ohnehin schon ist. Jedenfalls hütet Tierwater für einen reichen und etwas verrückten Prominenten eine Reihe seltener bzw. ausgestorbener Tiere. Seelisch erschöpft wirkt dieser Tierwater, der sich etwas zynisch der Welt gegenüber verhält, und es scheint so, als würde er in ganz sachtem Widerstand gegen den Fortschritt ankämpfen.

Wirbelsturm
In ‘Ein Freund der Erde’ widmet sich Boyle seinem Lieblingsthema – dem Menschen, der alles imemr schlimmer macht. Bild: Pixabay

Radikale Ökos
Das war nicht immer so, was die Rücksprünge in die 90er Jahre zeigen. Tierwater ist ein extrem militanter Umweltschützer, der nicht davor zurückschreckt, mit seiner Frau krasseste Aktionen durchzuziehen, bei dem sie vor nichts zurückschrecken. Gleich mehrmals war Knast angesagt, was ihm Recht egal war, war seine Sichtweise auf den modernen Menschen stets vernichtend. Diese Menschen in ihren verdammten Vorgärten, mit ihrem künstlichen Rasen und künstlichen Blumen würden der Welt einen Gefallen tun, würden sie sich doch einfach die Knarre an den Kopf halten und abdrücken. Doch diese Vergangenheit wirft auch einen Blick auf einen schweren Schicksalsschlag, den Tierwater erlitt und in dessen Folge er sich mit seiner Frau verwarf und zu dem resignierten Menschen wurde, der er heute ist. Was auch immer passierte, dieses Ereignis trennte ihre Wege und führte ihn in gewissem Sinne in die Resignation. Diese Welt könne man einfach nicht mehr ändern.

Viel Witz und viel Emotion
Nach Jahren der Abstinenz taucht seine Frau plötzlich wieder auf. Ihr Aufeinandertreffen zwingt die beiden dazu, ihre Geschichte – lange verdrängt – nun endlich zu verarbeiten, ich kann es nicht anders sagen, als dass mir in vielen Situationen vor lauter Lachen die Luft wegblieb. Boyle ist ein extremer Autor, der ab und an eben zu extremen Ansichten neigt und der sich traut, Tabus zu brechen. Die Zeilen stecken voller Witz, aber auch Weisheit und in gewissem Sinne Lebenserfahrung. Wie für Boyle typisch, verführt er den Leser dazu, mit den Figuren zu sympathisieren, um genau diese Haltung wieder auf die Probe zu stellen. So steht zum Beispiel der zynische und wortkarge Tierwater des Jahres 2025 im krassen Kontrast des Tierwaters der 90er, der bei einer aberwitzigen Aktion zur Rettung der Wälder einen radikalen Weg einschlägt. Auf einmal erschrickt man als Leser vor sich selbst. Ich kenne keinen anderen Autor, der das so beherrscht wie Boyle. Auf der anderen Seite ist da so viel Emotion in dieser Geschichte, so viel Gefühl und Zärtlichkeit. Diese Schilderungen lassen die Kritik am Menschen, die dem Buch innewohnt, zu Weilen im Hintergrund verschwinden. Ein humorvolles, gleichzeitig trauriges und ernstes Buch, das sehr zum Nachdenken anregt und zum Weinen bringen vermag.

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Ma San

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