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Die Eiche – mein Zuhause (Filmtipp)

Während man bei Naturdokumentationen meist an die exotischsten Fleckchen der Erde denkt, lenkt dieser Film die Konzentration auf einen heimischen Baum – eine zweihundert Jahre alte Eiche am Waldrand, die mächtig vor einem See thront. Eigentlich ist das auch keine Doku, denn es wird nicht gesprochen, nichts erklärt, sondern nur betrachtet und gelauscht. Die Kamera bewegt sich stets um unseren Hauptdarsteller – die Eiche – bei Tag und bei Nacht, zu allen Jahreszeiten, von den tiefsten Furchen der Rinde über die feinsten Kammern der Blätter, hoch hinauf in die Kronen und tief hinunter in die Erde. Was man zu sehen bekommt ist schlicht atemberaubend: Wir sehen, wie dieser Baum den Gezeiten trotzt, er die Photosynthese vollzieht, in Interaktion tritt mit den auf ihr lebenden Tieren, wie er seine Fortpflanzung taktisch arrangiert, mit anderen Bäumen kommuniziert und den eigenen Nachwuchs aufzieht. Man geht aus dem Kino hinaus mit der Erkenntnis, dass ein Baum wie dieser nicht einfach eine Pflanze ist, sondern ein wahrhaftig lebendiges, irgendwo denkendes, ein sprechendes und ungemein wichtiges Lebewesen.

Kamera und Soundaufnahmen sind so brillant, dass man wirklich rätselt, wie das vollbracht wurde. Die Linse folgt dem für unser Auge kaum erkennbaren Rüsselkäfer in extremer Vergrößerung, diesem Wesen mit großen, runden, schwarzen, lustigen Augen, von der Geburt, durch die Furchen der Rinde bis hoch hinauf in den Baum. Dabei wird jeder Flügelschlag hörbar, jeder Schritt, das Bohren des langen Rüssels in die Eichel. Weitere Akteure sind ein Eichhörnchen, ein Eichelhäher-Paar, eine Mäusefamilie, ein Wildschwein, ein Fuchs, ein Reh, Ameisen, ein Greifvogel, eine Eule, um nur einige zu nennen. Die Kamera ist stets dabei, nachts und am Tag, von spektakulären Verfolgungsjagden bis in die kleinste Mausehöhle im Erdreich bis in die Wurzelspitzen, die sich ihren Weg durch die Erden bahnen und weit mehr sind als die Statik des Baums, nämlich gezielt suchende, fühlende Nerven mit einer definitiv vorhandenen Art der Intelligenz. Dass der Film gänzlich ohne Gewalt auskommt, eignet ihn auch sehr für Kinder, und der Verzicht darauf schwächt keinesfalls die Botschaft, dass alle Lebewesen rund um diesen Baum voneinander abhängen, in ständiger Verbindung zueinander stehen, und dass alles kommt und geht, geboren wird und stirbt, alles – nur nicht dieser Baum. Der Film ist so wunderschön und bezaubernd, wie ich das selten, vielleicht noch nie gesehen habe. Das Regieduo Laurent Charbonnier und Michel Seydoux vermögen es mit DIE EICHE, den Zuschauer im Herzen zu berühren und über das große Ganze nachzudenken. Der ein- oder andere wird gar gewillt sein, nachhaltiger zu handeln.

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