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Mein 6. Berliner Halbmarathon – 1:21:57

Als ich am Samstag meine Startunterlagen abholte, war ich erstaunt, dass ich dieses Mal in den Block B und nicht A eingeordnet war. Die Einordnung erfolgt stets anhand ausschließlich offiziell gelaufener Bestzeiten auf die 21K und ich hatte eine Zeit von 1:25:27 gemeldet. Zwar gelang es mir, im letzten Jahr die 1:22 zu unterbieten, aber privat auf der Bahn und solche Ergebnisse zählen nicht. Finde ich gut! Der Cut zum Block A jedenfalls wurde dieses Mal strickt bei 1:25 vorgenommen, damit war ich in Block B eingeordnet. Knapp zwar, aber knapp ist eben auch vorbei. Bei einem großen Lauf wie diesem ist so etwas schon tricky, also wenn man prinzipiell eine schnellere Stufe knapp verpasst. Bei 40.000 Teilnehmer ist ein Block groß und es finden sich Läufer ein, also in meinem Fall im Block B, die einen Halbmarathon zwischen 1:35 und 1:25 laufen können. Lichtjahre Unterschied sind das und das heißt, in meinem Fall kam es darauf an, frühzeitig im Block zu stehen und möglichst weit vorn zu starten, damit kein Ausbremsen durch langsamere Läufer erfolgen würde. Bei so einer großen Teilnehmeranzahl kann die falsche Positionierung im Block ganz schnell 30 Sekunden kosten, Minimum. Die Cut-Off Zeit jedenfalls bei 1:25 spricht für die starke Besetzung des Laufs in diesem Jahr. Zum Vergleich: 2021 startete ich mit einer 1:27 noch im Block A, lief eine 1:25:27 und landete damit auf dem 343 Platz gesamt und auf dem 43. Platz in der Altersklasse 40. Meine 1:21:57 in diesem Jahr – vier Minuten schneller!!! – bescherten mir dieses Mal den 840. Platz gesamt und den 80. Platz in der AK 40. Manometer, ein schnelles Rennen vorne war das also, nicht nur im Profi- sondern eben auch im Hobbybereich. Es ist schon heftig mitzuerleben, dass Hobbyläufer neben der Arbeit imstande sind, sehr weit unter die 1:20er-Marke vorzudringen, manche sogar bis nah an die 1:10. Das ist eigentlich Wahnsinn und so wie ich das sehe, scheinen die Leistungen in der Breite zwar immer langsamer, in der Spitze aber immer besser zu werden. Das spricht für den Laufboom, den wir gerade erleben und für eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Laufsport, den anscheinend immer mehr Menschen, Frauen wie Männer, ernsthaft neben dem Beruf betreiben. TOLL!!!

Dieses Foto stammt vom Berliner Halbmarathon vor zwei Jahren. Damals lief ich eine 1:25:27, war aber im Feld weiter vorne als jetzt mit einer 1:21:57. Das spricht für die Qualität des Berliner Halbmarathons.

Kein Rennen ist wie das andere

Ich bin voll in einer Marathonvorbereitung derzeit. So, dann wäre das auch mal gesagt! Wo ich starte und wann, verrate ich dieses Mal nicht, kein Wort! Mancher hier weiß, warum! Wie auch immer, mein Trainingsfokus lag und liegt seit Monaten komplett auf „long“ und nicht auf „Kurz-Highspeed“ und so konnte ich nicht einschätzen, wie dieser Halbmarathon verlaufen würde. Im Januar bin ich bereits einen Halbmarathon gelaufen und konnte nur eine enttäuschende 1:26:59 erreichen. Dabei erlebte ich einen massiven Einbruch, relativ frühzeitig sogar ab Kilometer 10. Meine Pace rauschte von einer 3:50 sukzessive auf eine 4:15 und gegen Ende gar auf eine 4:30 ab. Das ist heftig und als abschreckendes Beispiel stelle ich hier mal den Pace-Verlauf ein, damit ihr ein bisschen Angst kriegt.

So sieht ein Absturz grafisch aus

Woran lags? Ausgangspunkt für meine Pace-Wahl einer 3:50 war mein besagter Halber unter 1:22, den ich privat auf der Bahn in einer 3:53er Pace lief. Also stapelte ich 3 Sekunden höher auf glatte 3:50, gestützt und motiviert durch fleißiges Training bereits ab Dezember letzten Jahres. Die Pace zu Beginn war zu hoch und die Annahme, diese durchzuhalten, war falsch. Es erfolgte ein Leistungseinbruch als logische Konsequenz. Richtig wäre es gewesen, mehr auf den Körper zu hören und das Tempo ein paar Kilometer rauszunehmen. Aber auch so ein Lauf gehört dazu zu einem Läuferleben und auch die Erkenntnis, dass man nicht immer einen guten Lauf hinlegen kann. Formhochs sind Ergebnis eines gezielten Trainings, im Rahmen dessen man einen Fitness-Zenit erreicht, den es abzunutzen gilt.

Beim jetzigen Berliner Halbmarathon war also äußerste Vorsicht geboten. Auch deshalb, weil ein Einbrechen mental immer die absolute Scheiße ist, insbesondere wenn man auf einen Marathon hintrainiert. Für einen Marathon braucht man absolute mentale Stärke fundiert auf positiven Erfahrungen. Unter diesem Aspekt war es gar nicht so schlecht, in der zweiten Reihe zu starten. Basierend auf der schlechten Erfahrung im Januar würde ich mit Bedacht starten, mehr auf den Körper hören und dennoch mutig sein, sollte ich ein gutes Gefühl haben. So schlimm die Erfahrung im Januar auch war, dieser Halbmarathon war im Winter, einer Phase des Leistungstiefs. Jetzt aber war ich voll in der Marathonvorbereitung auf dem Weg zu einem Leistungshoch, und das galt es zu berücksichtigen. Und so ging ich dann auch an den Start, mit einer gewissen Portion Ehrfurcht, aber doch dem Selbstbewusstsein, ein durchaus schneller Läufer zu sein und mit dem Wissen: KEIN RENNEN IST WIE DAS ANDERE! WAS IM EINEN RENNEN PASSIERT, PASSIERT NICHT ZWINGEND IM NÄCHSTEN! UND MANCHMAL, JA MANCHMAL ÜBERTRIFFT MAN SICH SELBST UND DIE KÜHNSTEN ERWARTUNGEN!

Die Tempokurve beim Berliner Halbmarathon sieht absolut konstant aus, ganz und gar ohne Einbruch.

Das Rennen

Ich wollte vorsichtig rein mit einer 4,0er-Pace und langsam anlaufen. Ich merkte gleich, dass mir das vorkam wie joggen und ging auf eine 3:55 mit angelegten Ohren. Will heißen: Ich achtete auf jedes noch so kleine Signal des Körpers, stellte aber fest: Ich atmete ganz ruhig. Ich lief schnell, aber nicht überhastet, der Lauf fühlte sich gut an. Also arbeitete ich mich nach vorne von Grüppchen zu Grüppchen und lief mich ein wenig fest. Ich hangelte mich also immer wieder in Laufgruppen, die jedoch allesamt etwas an Tempo verloren und langsam aber stetig auf eine 4,0er-Pace zusteuerten. Ich ging das mit und überlegte dann, auszubrechen aus diesem Feld und etwas zu riskieren. Meine Beine waren leicht, das Tempo bereitete mir keine Probleme. also ging ich auf eine 3:50er ab K8 bis etwa K16. Diese Phase kam mir deutlich härter vor, ich war alarmiert und hatte schon die Angst, dass es mich ab etwa K17 erwischen könnte. Bei K15 schnappte ich mir ein Gel, überlegte und warf es dann doch wieder weg. Nein, heute würde ich das mal anders machen! Bisher hatte ich nichts getrunken, nichts gegessen und so würde es auch bleiben. Oft genug hat mein Magen schon bei hoher Pace rebelliert und es würde vielleicht wieder passieren. Außerdem bräuchte ich es nicht bei einem Halbmarathon.

Ein schneller Halbmarathon ist kein Zufall, sondern Ergebnis eines guten Trainings

Also lief ich weiter, als andere zum Becher griffen, und rauschte vorbei. Dieses Trinken sollte man nicht unterschätzen, denn es bringt einem für ein paar Sekunden aus dem Konzept, bremst den Lauf und kann erheblich den Rhythmus stören. Ab K17 wurde es tatsächlich schwer und die Pace fiel ab, aber nur leicht und etwas der geringen Steigung geschuldet. Mental tricky und ich horchte da genau in mich rein. Läufst du das Ding jetzt sachte nach Hause, brichst du ein, oder gehst du ALL IN? Ich ging All IN! Meine Beine waren total okay, muskulär also alles im Lot. Meine Atmung war schon zäher, schwerer, aber nicht am Anschlag. Was mir zu schaffen machte, war wie immer mein Magen, der hatte keinen Bock mehr und an ihm richtete ich mich aus. Es gelang mir nach K17 bis auf eine 3:37er Pace hochzugehen, doch mein Magen machte den Laden zu, lies keinen Speed mehr zu und war letztlich der Maßstab. Dennoch waren die letzten Kilometer geprägt von stetem Überholen anderer, alles richtig gemacht also. Auf der Zielgerade gab ich High Fives in die Menschenmenge und lief in einem dünnen Läuferfeld und einem guten Gefühl über die Linie.

Meine Waffen

Bei diesem Lauf habe ich mit meinen Endorhin Pro 2 von Saucony (Werbelink) auf Carbon gesetzt. Über Sinn und Unsinn von Carbon-Racern habe ich bereits ausführlich geschrieben und insbesondere darüber, dass sich die Vorteile insbesondere bei hoher Pace bemerkbar macht. Mir ging es darum, diese mal auf 21K zu testen, während sie mir bei der Marathon-Distanz total missfielen und ich die Vorteile bei 5 und 10K nicht wirklich fühlen konnte. Was kann ich darüber sagen? Letztlich so viel, dass ich eine gleichwertige Zeit im letzten Jahr (auch unter 1:22) auf der Bahn gelaufen bin in meinen Kinvara 13, also extrem reduzierten und ungedämpften Schuhen. Nun ist es aber schon so, dass Die Bahn etwas zurück gibt und die Straße eben nicht, sodass ich die Leistung jetzt schon höher werte. Gerade auch deshalb, dass ich am Ende sogar schneller werden konnte, könnte daran liegen, dass man in Carbonschuhen die Muskulatur weniger beansprucht. Ich für mich werde diesen Schuh weiterhin bei Rennen bis 21K testen, beim Marathon jedoch auf den Kinvara oder meinen Mizuno setzen und die Langstrecken minimal laufen.

Kilometerzeiten beim Berliner Halbmarathon

Fazit dieses Laufs

ES SPRICHT ALLES DAFÜR, ALLES ZU GEBEN! Diesen Satz von Zach Miller liebe ich, denn er stimmt. Mit 42 Jahren landete ich bei diesem Lauf auf Position 840 von 15.714 Läufern und 10.353 Frauen, also gut 26.000 Läufern gesamt und damit unter den schnellsten 3 Prozent des ganzen Feldes. Das ist etwas, was mich sehr stolz macht, gerade in Anbetracht meines Alters, in dem der Körper langsam aber sicher mit dem Abbau beschäftigt ist. Wie auch immer. Meine Lauf-VO2-Max liegt bei satten 57, mein Fitnessalter bei 34 und mein Training zieht und greift und so lasse ich so manchen ambitionierten 25-Jährigen stehen. Bei so einem Lauf vorne bzw. relativ weit vorne mitzulaufen ist ein absolut großartiges Gefühl, das Feeling eines Leistungszenit unfassbar gut. Diese Power zu spüren, die den Körper durchfließt nach Wochen des zielgerichteten Trainings, es ist unbeschreiblich. In einem Land, in dem mittlerweile zwei Drittel aller Männer übergewichtig sind, möchte ich mit meinesgleichen einen Gegenpol bilden. Ich möchte zeigen, dass ein Bierbauch, Karohemd, ungesunde Ernährung und das, was diese dem Körper antut, dass das kein Schicksal ist sondern eine Wahl, die jeder von uns trifft, bewusst oder unbewusst. Bei diesem Halbmarathon sind über 40-Jährige Zeiten von unter 1:07 Stunden gelaufen, 50-jährige unter 1:15, ist das nicht toll? So manch einer schaut einen an, wenn man so vom Laufen erzählt, als hätte man sie nicht mehr alle. Fragt man zurück, dann merkt man aber, auch sie widmen sich Dingen und Sachen, und zwar auch mit sehr viel Zeit. Ich kann dir an dieser Stelle mitgeben: Mache die Dinge, die du tust, die du liebst – mache sie zu 100 Prozent und niemals halbherzig. Lasse dir nie sagen, dass du etwas nicht kannst oder etwas nicht schaffst. Werde gut in dem, was du tust und wachse darin. Das Leben ist zu kurz für Halbherzigkeit, gehe ALL IN!

Ma San[/Avatar]

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