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KLARTEXT: Wie hoch war mein CO²-Ausstoß im Jahr 2022 ?

1,5 Tonnen pro Kopf. Das ist eine Zahl, die jeder von uns kennen sollte. Gemeint ist die Menge CO², die ein jeder Mensch auf der Welt im Jahr maximal ausstoßen darf beziehungsweise sollte (Quelle), damit wir gemeinschaftlich den Klimawandel aufhalten können. Den eigenen Fußabdruck zumindest annähernd zu kennen, empfinde ich als essentiell, da die Meinung, wer am Klimawandel schuld ist, fast immer intuitiv ist und mit der Realität nichts zu tun hat. Das ist jedenfalls meine Ansicht, weil ich noch niemanden erlebt habe, der sagte: „Also ich lebe besonders verschwenderisch!“ Eher das Gegenteil ist der Fall. „Ich esse fast nie Fleisch“, ist so eine Aussage, die viele treffen und einfach nicht stimmt (55 Kg Fleisch isst der durchschnittliche Deutsche im Jahr / Quelle). Im Schnitt verbrauchen wir Deutsche fast 8 Tonnen CO² (die Schätzungen gehen hoch bis 15 Tonnen) pro Kopf und sind unter den Top-Klimakillern (siehe Link oben). Daran ändert auch der Stoffbeutel beim Einkaufen nichts. Besonders dann nicht, wenn das Auto das Verkehrsmittel der Wahl ist (2 Tonnen CO² pro Jahr), man mit dem Flieger im Jahr mehrere Fernreisen macht (1 Flugreise nach Dubai und zurück = 2.9 Tonnen CO²), gerne mal eine Kreuzfahrt macht (2.8 Tonnen CO²) und Fleisch auf dem Speiseplan steht (700 Kg CO² mehr als ein Veganer). Die Quelle für diese Zahlen findest du hier. Und auch wenn es Zeitgenossen unter uns gibt, die selbst solche Zahlen leugnen, da diese ihrer Meinung nach nicht berechnet werden können, halte ich persönlich diese sogar noch für untertrieben. In jedem Fall ist hier schon sehr leicht erkennbar, dass die Rettung der Welt ohne eigene Bemühungen und Verzicht DERZEIT NICHT MÖGLICH IST und dass es gerade uns Deutschen an Bemühungen dieser Art besonders mangelt. Ein Äthiopier beispielsweise verursacht gerade mal 560 Kg CO² (Quelle wie oben) und man sollte die eigene Vorstellungskraft einmal dafür nutzen, um sich selbst auszumalen, was das für einen selbst bedeutet. Das heiß, dass das derzeitig diskutierte Tempolimit, die Solaranlage auf dem Dach, der Verzicht auf Fleisch und die Nutzung eines oder mehrerer Autos prinzipiell eine Selbstverständlichkeit sein sollte, quasi ein absolutes Minimum an Maßnahmen! Den Stoffbeutel, das Lieblingsargument schlechthin, erwähne ich hier nicht einmal, da dieser absolut irrelevant ist bei diesen Big Points. Damit möchte ich NICHT sagen, dass wir jetzt alle wie Äthiopier leben müssen, aber betonen: Ein jeder von uns sollte sich die Frage stellen: WAS VERURSACHE EIGENTLICH ICH SELBST AN ZERSTÖRUNG? Ich habe in diesem Artikel hier bereits beschrieben, wie man das sehr konkret berechnen könnte und nach dem Verursacherprinzip jeden für jedes zu viel ausgestoßene Gramm CO² zur Kasse bitten könnte, für mich der einzig gangbare und faire Weg für alle. Vor allem, weil er niemandem etwas vorschreibt. Aber egal, geht eh nicht, schon gar nicht in diesem Land!

Sich selbst hinterfragen, nicht andere

Wie auch immer. Ich selbst bin kein Heiliger. Bin niemand, der spartanisch verzichtet, sondern jemand, der gereist ist, dies gerne auch künftig machen würde, der das Leben genießt und so weiter. Aber auch jemand, der sich meiner Ansicht nach (und das ist ja der „tricky“ Aspekt hier, da subjektive Einschätzung), zumindest im Ansatz bemüht. Wie komme ich zu dieser Ansicht? Ich wohne in einer Wohnung statt in einem Haus, besitze kein Auto, lege alle Wege in der Stadt mit dem Rad zurück und verreise innerhalb Deutschlands zu 95 Prozent mit dem Zug. Mit dem Flieger verreist bin ich in den letzten Jahren nicht mehr. Außerdem esse ich kein Fleisch, keine Eier und Butter und trinke keine Milch, bin also fast vegan unterwegs. Dennoch habe ich intuitiv NICHT das Gefühl, auf die erforderlichen 1.5 Tonnen CO² zu kommen, sondern so ungefähr auf das Doppelte. Rein intuitiv! Intuition aber ist nichts, wirklich gar nichts wert beim Thema Klima und Umweltschutz. Einzig und allein Fakten interessieren, und ich wollte ich es genau wissen. Wie hoch war mein CO²-Abdruck im Jahr 2022?

Den CO²-Abdruck berechnen

Um dem auf die Spur zu kommen, habe ich drei grundverschiedene Rechner benutzt, jenen des WWF, des Umweltbundesamtes sowie jenem von Brot für die Welt.

  • Berechnung nach dem sehr umfangreichen WWF-Rechner: Der WWF Rechner umfasst satte 33 Fragen zu grundverschiedenen Themen. Entgegen den o.g. Werten geht WWF davon aus, dass der Deutsche Durchschnittsausstoß an CO² 12,4 Tonnen beträgt, der weltweite Schnitt 6,4 Tonnen. Ich komme im Ergebnis auf 5,94 Tonnen. WWF interpretiert mich als „relatives Leichtgewicht“ und dennoch: Würden alle Menschen auf der Welt so leben wie ich, dann bräuchten wir 1.43 Erden.  
  • Berechnung über den Schnell-Check des Bundesumweltamtes: Hier wird von einem Deutschen Durchschnitt von 10.8 Tonnen ausgegangen, mein Ausstoß liegt bei 4.91 Tonnen.
  • Berechnung über den Rechner von Brot für die Welt: Hier komme ich auf 25 von 53 Punkten, die man durch 10 teilen muss, um auf die Anzahl an globalen Hektar zu kommen. Ich komme also auf 2,5 gha und liege bei etwa 50% des Deutschen Durchschnitts.

Fazit

Bei allen drei Rechnern liege ich bei knapp unter 50 Prozent des Deutschen Durchschnitts. Meine Intuition, ein bedachter Mensch hinsichtlich der Klimakatastrophe zu sein, hat mich also nicht getäuscht. Dennoch liege ich weit über dem notwendigen Soll, was deutlich suggeriert, dass selbst der Verzicht auf Auto, tierische Produkte und Flugreisen nicht genug ist. Ernüchternd ist festzustellen, dass sich die Bilanz extrem verschlechtert, sobald man auch nur eine Flugreise angibt. Ist diese interkontinental, kommt man allein mit dem Fliegen auf über 18 Tonnen CO², das ist Wahnsinn und ich glaube nicht, dass das vielen Menschen bewusst ist. Dieser Fakt passt zum Beispiel auch so überhaupt nicht in dieses Klischeebild an Typ Mensch, den so viele heutzutage sein wollen – jenem des digitalen Nomaden, des ROMOTE WORKERS, der vom Laptop aus von überall auf der Welt arbeitet, heute Berlin, morgen Chiang Mai. Dieser Lifestyle ist für das Klima ja mit der schlimmste überhaupt. Und ich denke, dass es genau darum geht, es geht um Bilder, die wir von uns und dieser Welt im Kopf haben und als gegeben ansehen. Diese Bilder müssen wir hinterfragen.

Was fange ich mit diesen Zahlen nun an, was sagen mir knappe 5 Tonnen CO² jetzt, die ich dieser Welt antue? Ich sage es mal so: Ich denke darüber nach, was soll ich auch sonst machen? Ich werde zukünftig durchaus hier- und dorthin fliegen, ganz sicher, aber ausgewählt und bedacht und nicht hemmungslos. Beim Essen könnte ich mehr auf Regionalität setzen und auch der komplette Verzicht auf alle tierischen Produkte (Käse, Joghurt oder Sahne esse ich immer noch!) wäre eine Maßnahme, die nicht so wehtun würde, verschmerzbar wäre. Der energetische Standard meiner Wohnung könnte besser sein, aber darauf habe ich wenig Einfluss. Keinen Einfluss hat man auch auf diverse andere Faktoren wie z.B. Lebensmittelverpackung, Mülltransport usw. . Aber was ich, was man hier tun kann, ist es, sich politisch einzumischen, darüber zu diskutieren, richtig zu wählen.

Was hilft mir das jetzt? Ich erachte die Klimakatastrophe als bedrohend. Nicht für mich, aber für andere! Ich kenne meinen Fußbdruck jetzt genauer und weiterhin die Stellschrauben, diesen zu verbessern. Manche davon sind leicht zu bedienen, zum Beispiel der Einkauf von mehr saisonalen und regionalen Produkten oder der Kauf von gebrauchten Dingen statt neuen. Das ist ganz leicht zu ändern und ich werde das sicherlich intensivieren, es bedeutet keinerlei Einschränkung für niemanden! Ich weiß auch, was Entscheidungen für oder gegen ein Auto, für oder gegen eine Flugreise bedeuten und kann diese in meine Entscheidungen mit einfließen lassen. Der Fingerzeig auf andere reicht nicht und auch nicht jener auf eventuelle, zukünftige Technologien. Die Klimakatastrophe ist jetzt und JETZT gilt es zu handeln. Ich bin der Meinung, dass jeder Deutsche den eigenen CO² Abdruck auf 8 oder 7 Tonnen runter bringen kann ohne sich grundlegend massiv einzuschränken. Eine Reise mit dem Zug statt mit dem Flieger, mal kein Skiurlaub, weniger Fleisch auf dem Teller, Rad statt Auto, regional kaufen, das sind aus meiner Sicht leicht umzusetzende Dinge, die jeder sofort machen kann. Andere Dinge sind sicherlich schwerer umzusetzen, aber einfach notwendig. Ständig in alle Welt zu reisen war sicherlich einmal DER LIFESTYLE schlechthin, darf und kann aber nicht mehr zeitgemäß sein in Anbetracht der Situation. Wenn ich in Australien oder sonst wo lebe und wegen Familie vier Mal im Jahr nach Deutschland reise und alleine dadurch 100 Tonnen CO² ausstoße, dann sollte man diese Art Lebensstil schon mal hinterfragen, finde ich. Reicht vielleicht nicht einmal? Oder könnte ich dann nicht einfach länger bleiben, statt das immer wieder zu machen? Legitime Fragen, wie ich finde, denn niemand zwingt einen ja, irgendwo zu leben, es ist DIE EIGENE ENTSCHEIDUNG und keine vom Himmel kommende Tatsache.

Wir sind 80 Millionen Menschen hier in diesem Land. Würden alle 4 oder 5 Tonnen einsparen (was leicht wäre), dann sprechen wir schnell von 300 Millionen Tonnen CO² Ersparnis pro Jahr, die LEICHT machbar wären. Das ist soviel CO², wie 1.5 Milliarden Bäume im Laufe ihres Lebens binden können, und das pro Jahr! Das ist immens viel und bedeutet: WIR ALLE KÖNNEN ETWAS TUN, KÖNNEN BEEINFLUSSEN, SIND NICHT HILFLOS. Und letztlich sind es wir, die bestimmen. Unser Tun beeinflusst Politik und Industrie und verursacht Wandel.

Ma San[/Avatar]

2 Kommentare

  • Helena Mayer

    Lieber Martin,

    ich bin ziemlich beeindruckt, wie viel du für dich schon in Sachen Klimaschutz erreicht hast. Und ganz stark finde ich, dass du sagst, es reicht immer noch nicht. Für einige Menschen ist das eine Inspiration, auch mehr zu tun. Aber das sind in der Regel Menschen, die eh schon auf einem guten Weg sind und sich oft hinterfragen, was sie noch machen können, um CO2 zu sparen. Doch was ist mit der großen Masse an Menschen, die das entweder nur halbherzig angeht oder … noch schlimmer … gar nicht darüber nachdenkt? Wie soll denn das Ziel überhaupt gelingen? Ich will nicht pessimistisch wirken, aber meiner Meinung nach kommen wir gar nicht um staatliche Regulierung herum, wenn das Ziel echter Klimaschutz ist. Was meinst du dazu?

    Viele Grüße
    Helena

    • MaSan

      Liebe Helena,

      ich habe den Eindruck, dass einzig und allein Geld die Menschen zum Handeln bewegt. Jetzt, wo die Energiepreise hoch sind, werden plötzlich ganz schnell die Dächer mit Solaranlagen zugebaut und bedacht geheizt, mal als Beispiel. Beim Klimagipfel in Kairo hat mir gefallen, dass einstimmig verursachende und leidtragende Länder bestimmt wurden und die Verursacher zahlen müssen. Ich würde mir wünschen, dass wir dieses Prinzip auf die private Ebene, also auf jeden Menschen übertragen. Das heißt, jeder Mensch bezahlt das, was er über die legitimen 1.5 Tonnen CO2 verursacht. Das wäre eine faire Lösung für alle und man kommt völlig ohne Bevormundung aus, was bei bei uns ja gar nicht leider kann. Wer viel zahlen muss, wird sich von alleine einschränken. Das Einzige, was man tun müsste wäre es, den CO2-Ausstoß eines jeden einzelnen anonym zu messen und Ende des Jahres mit der Steuererklärung zur Kasse zu bitten: Wie das gehen könnte, habe ich kürzlich hier beschrieben. Es gebe sicherlich viele Wege, das zu erreichen. Wenn dann ein Klimafootprint bei 12 Tonnen liegt und ein Preisschild von 10.000 EUR drunter steht….erst dass, und nur dann, fängt eine Mensch an etwas zu ändern. Das macht er nicht für das Klima, sondern einzig und allein für Geld! Ich wünschte ich hätte bessere, positivere Worte, habe aber keine.

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