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Gedanken zum Erdüberlastungstag 2023 und zur LETZTEN GENERATION

Bild: Ma San

Am 4. April war Erdüberlastungstag bei uns in Deutschland (Quelle), was bedeutet, dass alle natürlichen Ressourcen für das gesamte Jahr schon an diesem Tag aufgebraucht waren. Das heißt auch, dass ab diesem Tag ein Schaden für die Welt entsteht, den künftige Generationen ausbaden müssen, dass irgendwo anders auf der Welt irreparable Schäden entstehen, Tiere und sogar Menschen sterben müssen, wegen uns! In den Sechzigern lag dieser Tag noch im Folgejahr, in den Siebzigern bereits am 31. Dezember und jetzt eben ganze sechs Monate früher, Tendenz verschlechternd.

Ohne Maß

Die Menschheit, und wir Deutsche ganz besonders, leben völlig über jegliche Verhältnisse. Über 10 Tonnen CO² stoßen wir bei uns pro Kopf und Jahr gen Orbit (Quelle), was uns nicht nur in Europa, sondern weltweit ganz vorne mitspielen lässt (laut der NGO Germanwatch im oberen Viertel). Weltweiter Durchschnitt sind knappe 7 Tonnen CO² und Kopf . Klimaverträglich, und darauf kommt es an, sind 1,5 Tonnen (Quelle). In aller Klarheit ausgedrückt: WÜRDEN SICH ALLE MENSCHEN SO VERHALTEN WIE WIR, DANN WÜRDEN WIR DIESE WELT DEFINITIV ZERSTÖREN.

Vom Stören und von Störern

Im Moment sehe ich fast jeden Tag Mitglieder der letzten Generation, die Straßen blockieren. Ich sehe Freitags die jungen Leute von Fridays for Future, die zu Recht für ihr Recht auf eine auch zukünftig bewohnbare Wellt demonstrieren. Ich sehe zigtausende Räder der Bewegung der CRITICAL MASS, die stundenlang den Verkehr lahmlegen. Ich sehe Demos voll von Familien, die für eine fahrradfreundliche Stadt demonstrieren. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich Sympathie empfinde mit all diesen Bewegungen, ohne dass ich hier die Wahl der Mittel gutheißen will, insbesondere was die letzte Generation angeht. Aber – im Kern haben sie alle Recht. Sie alle verweisen zu Recht auf für jeden glasklare Fakten aus der Wissenschaft, dass es so nicht weitergehen kann, und völlig zu Recht auf eine Politik und auch auf eine Gesellschaft, die dem nicht gerecht wird. Dass diese Menschen mit ihren Aktionen stören, ist definitiv wichtig, weil nur durch Störung Druck entstehen kann, wahrhaftig etwas zu ändern, was unbestritten schnell und entschieden notwendig ist. Im Kern werden wohl die allermeisten Menschen in diesem Land zustimmen, dass sich dringend etwas ändern muss. Betrifft jedoch die Störung, um diese Änderung herbeizurufen, sie selbst, reagieren sie mit Unverständnis, insbesondere was die Letzte Generation angeht. Dabei ist es doch unausweichlich, dass mit der Rettung der Welt und all den damit verbundenen Themen Artenschutz, CO2-Ausstoß, Tierschutz, Schutz der Wälder, der Ozeane usw., dass damit ein Verzicht auf der persönlichen Ebene einhergehen muss – Änderung der Mobilität, des Reisverhaltens, Verzicht auf Fleisch, Änderung des Wohnverhaltes usw. Dieser Verzicht wird von den meisten Menschen nicht eingesehen bzw. ich kann diesen auf meiner Mikroebene, zum Beispiel auf der Arbeit oder im weiteren familiären Umfeld, nur unzureichend beobachten.

Viel Zustimmung für Klimaprotest

Viele Medien haben sich längst eingeschossen gegen Klimaprotest, insbesondere gegen die letzte Generation. Dabei ist zu bedenken, dass man immer das zu lesen und zu hören bekommt, was man will. Insbesondere dann, wenn man ohnehin schon aggressiv drauf ist, was viele sind derzeit. Wenn ich mich umsehe, umhöre, mit Menschen spreche, dann nehme ich extrem viel Zustimmung für die Proteste wahr. Als Beispiel sei Ilona Otto genannt, Professorin für gesellschaftliche Auswirkungen des Klimawandels am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz, die die letzte Generation schlichtweg als Helden bezeichnet (Quelle). Ein Berliner Hauptkommissar zeigt ganz klar Sympathie für die Bewegung mit folgenden Worten:

“Als würdet ihr ohne Klimaprotest durch den Verkehr gleiten wie das heiße Messer durch die Butter.”

Quelle

Zuspruch kommt von Linken-Chef Martin Schirdewan (Quelle), in interessanter Form auch vom Soziologen Matthias Quent, der die Protestform als mild bezeichnet im Vergleich zu anderen und viel mehr die scharfe Rhetorik aus der Politik gegen die Bewegung kritisiert (Quelle). Von der Fachgruppe “Klimagerechtigkeit und sozialökologische Transformation” der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit wurde von 197 Experten ein Solidarbrief für die letzte Generation unterzeichnet (Quelle). Ich zitiere Herrn Dieter Kulke, Professor für Soziologie in der Sozialen Arbeit an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt, wie folgt:

Es ist die moralische Pflicht der Sozialen Arbeit, an der Seite der Letzten Generation zu stehen. Dass die Klimaaktivisten kriminalisiert würden, ist “unerträglich und falsch”.

Quelle

Auch in einschlägigen Berliner Medien, zum Beispiel im extrem guten Podcast Bonnies Ranch, ist Sympathie für die Aktivisten hörbar. Zum Beispiel sagte dort vor Kurzem eine Moderatorin, dass sie durch die Proteste, von denen sie selbst betroffen ist, noch nie in ihrem Leben so viel über Klimaschutz nachgedacht habe. Die Frau ist Autofahrerin. Ich möchte hier nichts schönreden, ich heiße keine Mittel gut, ich beobachte das, was ich sehe. Aus meiner Sicht ist es so, dass man keinesfalls behaupten kann, “Die Deutschen” lehnen diese Protestformen ab. Es gibt viel Zuspruch und viele Sympathisanten trauen sich (noch) nicht, Sympathie offen auszudrücken.

Die Argumentation gegen die Argumentation

Folgende Argumente hört man immer wieder gegen die Letzte Generation:

Mit den Autofahren (blockiert durch “Kleber”) treffe man die Falschen: Ich möchte ganz klar betonen, dass ich diese Protestform nicht gutheiße, auf keinen Fall! Als neutraler Beobachter schreibe ich das, was ich beobachte, wenn ich wie jeden Tag mit dem Rad ins Büro fahre, und was ich dabei denke: Fast jeder Autofahrer, der wegen den Aktivisten im Stau steht, trägt mit dem eigenen Verhalten, also in diesem Fall durch die bloße Nutzung des PKW, zur Vernichtung der Welt bei, und sei es nur ein Stück weit, ein “Mü”. Ein Mü, Millionenfach ausgeübt durch zahllose Menschen, DAS IST VERHEEREND! 29 Prozent aller CO²-Emmisionen in der EU gingen Im Jahr 2020 auf den Straßenverkehr zurück, und daran hatte der private PKW einen Anteil von über 60 Prozent (Quelle). Folglich ist niemand der im Stau stehenden unschuldig. Ich behaupte: Fast niemand dieser Autofahrer benötigt, wenn man ehrlich wäre, ein Auto in einer Stadt wie Berlin, sie sind es einfach nicht anders gewohnt. Das ist ganz einfach die Wahrheit! Nur 16 Prozent der Berliner nutzen das Rad als Verkehrsmittel (Quelle), Tendenz rückläufig (Quelle). Zum Vergleich: In Kopenhagen hat das Rad einen Anteil von über 40 Prozent (Quelle). In Dänemark also, jenes Land, in dem die Menschen am glücklichsten sind, nutzen die Menschen das Rad und beweisen damit, dass das sehr gut funktioniert. WENN ES DA GEHT, DANN GEHT ES DOCH AUCH HIER! Ich verstehe die Wut der Autofahrer definitiv. Aber gleichzeitig frage ich mich ernsthaft, warum aufgrund der drastischen Schäden, die der private PKW verursacht, zumindest nicht ab- und an das Rad benutzt wird. Ich kenne junge Menschen, die das könnten, aber nicht tun. Überhaupt die Frage, es zu tun, kommt ihnen noch nicht einmal in den Sinn. Ist es da so unangebracht, dass junge Menschen, die eine Zukunft einfordern, auf diesen Umstand hinweisen?

Hier etwas zu ändern, bringt nichts: Das Argument, Deutschland bewirke global gesehen gar nichts, ist total abwegig. Wo kommen wir bitte schön hin, wenn jeder so denkt? Hätte Elon Musk auf all die Zweifler gehört, hätten wir bis heute keine E-Mobilität. Änderung beginnt mit dem Glauben, dass es geht. Wenn man glaubt, dass es nicht geht, dann geht es nicht! Ich für meinen Teil sehe mich verantwortlich für das, was ich tue. Ich habe nie ein Auto besessen, esse kein Fleisch, trinke keine Milch, esse keine Eier, verreise zum Großteil mit dem Zug (natürlich auch mit dem Flieger, aber halt nicht dauernd), und das mache ich durchaus aus einem Verantwortungsgefühl heraus und es bedeutet für mich keinen Verzicht. Ich kann es nciht nachvollziehen, dass Menschen mit einem so hohen CO²-Ausstoß wie wir Deutsche sich das Recht herausnehmen, ihre Lebensweise überhaupt nicht zu hinterfragen und bei jeder Störung wutentbrannt reagieren. Und überhaupt, warum der Vergleich mit China oder den USA; warum nicht mit Dänemark, Schweden oder Chile, den klimafreundlichsten Staaten der Welt (Quelle)? Wenn ich mich als Marathonläufer mit irgendjemandem vergleiche, dann mit jenen, die besser sind als ich. Ist doch klar, oder?

China ist schuld, wir nicht: Und der Fingerzeig auf China? Der ist billig, denn die Chinesen stoßen pro Kopf ungefähr gleich viel aus wie wir! Nur 30 Länger stoßen pro Kopf mehr aus, das Argument ist also völlig lächerlich. E sgilt hier ganz klar, im eigenen Stall zu kehren, und unser Stall ist richtig dreckig.

Der Protest gegen Reiche ist unangebracht: Auch, dass sich die Aktivisten der letzten Generation gegen Reiche wenden, Luxus-Schaufenster und Privatjets besprühen, ist prinzipiell nicht abwegig. Ich heiße auch hier keinesfalls die mittel gut, aber begrüße es, dass man DInge ganz einfach beim Namen nennt. Reiche zerstören die Welt exponentiell, das ist schlicht ein Fakt (Quelle). Ich finde es völlig legitim, Menschen mit einem extrem zerstörerischen Verhalten zur Rechenschaft zu ziehen, weil es a) ungerecht ist und b) das Verhalten einiger weniger Auswirkungen für viele hat. NOT FAIR AT ALL!

Jut Do It

Fakt ist, wir müssen runter von 10 Tonnen auf unter 2, so! In den Worten von Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der NGO Germanwatch: “Die CO2-Emissionen in Deutschland müssten dreimal so schnell sinken wie bisher. Zugleich müssen wir den Rohstoffverbrauch minimieren.“ (Quelle) Es gibt verschiedene, effektive Hebel, um das zu schaffen:

  • CO2-Ausstoß im Verkehr senken (Tempolimit, Autoverzicht, Bahn fahren)
  • Weniger Fleisch essen (Macht im 21. Jahrhundert ohnehin NULL Sinn)
  • Weniger Flugreisen (ist sicherlich machbar)
  • Effizienter Heizen (macht enorm viel aus, die Grünen haben es zum Glück in die Wege geleitet).

Jeder zahlt für das, was er macht

Eine Lösung des Problems sehe ich darin, niemanden zu bevormunden, aber jeden für seinen Scheiß zahlen zu lassen. Warum? Weil Geld die einzige Sprache ist, die Menschen zum Handeln bewegt, jedenfalls die meisten. Energie im letzten Winter haben wir nicht deswegen gespart, weil plötzlich jeder an die armen Eisbären gedacht hat, die sich mühsam an schmelzenden Schollen festhalten, sondern weil jeder Angst hat vor der Heizrechnung! Geld zieht immer! Ein CO2-Budget für jeden würde das Problem sofort lösen und die Idee ist längst da (Quelle). Die allermeisten Menschen halten sich selbst für permanent unschuldig und nicht als Ursache von Problemen. Dass dem im Speziellen bei uns nicht so ist, beweist halt leider der CO2-Ausstoß pro Kopf. Wenn das aus Tierquälerei stammende Billigschnitzel aus dem Discounter nun 15 Euro kostet statt 99 Cent, weil der ganze Scheiß eingepreist wird, den das Ding anrichtet, erst dann denkt der Kunde nach, vorher nicht. Und wenn der Liter Benzin 5 EUR kostet statt 2, weil man auch dort all die Auswirkungen einpreist, dann muss sich auch niemand mehr auf die Straße kleben, weil nur noch die fahren, die unbedingt müssen.

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