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Laufen – Karma

Ich lese gerade einen buddhistischen Erziehungsratgeber, den ich in der Bibliothek gefunden habe. Seit meiner Zeit in China beschäftige ich mich immer wieder mal mit Buddhismus und auch hier stürzte ich mich mit Begeisterung in die Seiten. In dem Buch geht es um die Erfahrungen einer buddhistischen Mutter und damit um die Lehren, die man aus dem Buddhismus für die „Rush Hour des Lebens“ – also die Phase der Erziehung der eigenen Kinder – für sich einsetzen kann, um seelisch nicht auseinander zu brechen. Es geht um Meditation, um Achtsamkeit, Gelassenheit, Mitgefühl, Geduld und Karma. Gerade was Achtsamkeit und die Auswirkungen von Achtsamkeit auf das eigene Glück hat, bin ich prinzipiell schon länger praktizierender Buddhist beziehungsweise versuche mein Bestes. Als ich mit dem Buch „Running Buddha“ auf einen laufenden Marathon-Mönch gestoßen bin, der Formen der Meditation und Achtsamkeit beim Laufen einsetzt, wende ich das selbst gerne auch für mich an und kann sagen, dass es wirklich große Effekte auf mein Leben hat. Es ist ein Unterschied, ob ich etwas einfach tue, mit Ohrstöpseln im Ohr und abspule. Oder ob ich es bewusst tue, mit all meinen Sinnen im hier und jetzt bin.

Karma, Baby!

Worüber ich jedoch hier kurz schreiben möchte, ist Karma. Karma lässt sich wie folgt erklären: Man geht einem Gedanken nach und der Gedanke führt zu einem Gefühl. Die Wiederholung des Gefühls führt zu einer Handlung und dieses etabliert sich zu einem Muster, welches wiederum zu einer Gewohnheit wird. Gewohnheiten formen den Charakter und dieser bestimmt letztlich unser Schicksal. Alles beginnt also mit einem Gedanken, weshalb es in der buddhistischen Lehre wichtig ist, achtsam diesen gegenüber zu sein und zu analysieren, warum und woher diese kommen und ganz wichtig, diese niemals zu ernst zu nehmen und vielmehr zu kontrollieren. Beim Karma ist die Handlung, also die Tat, weit weniger wichtig als das Motiv, das hinter der Tat liegt. Warum also tun wir etwas? Als Beispiel wird eine Frau erwähnt, die bei Freunden den Abwasch macht und sich selbst dabei ertappt, dass das eigentliche Motiv dahinter nicht der bloße Gefallen oder die Nächstenliebe ist, sondern dass die Handlung an sich auf eine erwartete Gegenleistung und Ansehen und damit Wertsteigerung ihr gegenüber abzielt. Ich habe mich, als ich das gelesen habe, gefragt, warum ich eigentlich laufe und warum ich so oft an mein Limit gehe. Laufe ich wirklich nur für mich und für die eigene Grenzerfahrung? Oder schwingt auch der Durst nach Anerkennung mit. Der Wunsch, dass andere einen bewundern für den ein- oder anderen Lauf? Wenn ich ehrlich bin, dann kann ich letzteres nicht verneinen. Die Sache ist nun aber die, dass ich mir dessen sehr bewusst bin und dieses Gefühl nicht dominieren lasse.

Derzeit komme ich nicht viel zum Laufen, kann nicht wirklich viel und gezielt trainieren. Wenn mir die Decke auf den Kopf fällt, ich mich nach Bewegung sehne, dann erkämpfe ich mir eine Lücke im Tag, so wie letzten Montag, und gehe durchaus mal los auf einen Halbmarathon mit voller Kraft. Natürlich ist das suboptimal hinsichtlich Zielzeit, warten doch Ampeln auf dem Weg, fiese kleine Anstiege und die ein-oder andere stark befahrene Straße. Aber das ist für mich kein Hinderungsgrund, nicht Vollgas zu geben und an die Grenze zu gehen. Warum ich das mache? Es geht mir dabei schlicht und allein um dieses kurze Wiedersehen mit meinen Grenzen. Der Ruhm, eine gute Rennplatzierung, die mit einer 1:26 durchaus möglich ist, das sind für mich keine primär wichtigen Ziele. Es geht um mich, um mich allein und um den Wunsch, mich selbst mit mir selbst zu messen. Einfach zu spüren, dass ich am Leben bin, dass viel Stärke in mir steckt, die da ist, wenn ich sie brauche. Ich denke, dass diese Art zu denken und die Dinge zu sehen der beste Ratgeber ist, wenn es darum geht, das Laufen als Freund fürs ganze Leben zu gewinnen. Erster zu sein oder der Beste ist es gewiss nicht und sind letztlich mit dem schlechten Gefühl der oben genannten Frau vergleichbar. Sprich: man sollte sich diesem Gefühl bewusst sein, damit aus diesem Motiv, diesem Gefühl heraus letztlich keine Charaktereigenschaft entsteht, die auf Erfolgssucht basiert. Stärke geht, Jugend geht und man kann nicht immer gewinnen. An die eigenen Grenzen gehen aber kann man immer, und nichts und niemand kann einen daran hindern. Und so wird Laufen zu einem Freund und Ratgeber, und zwar fürs Leben.

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