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Warum die geplante Rentensteigerung sozial ungerecht ist

Ich mache gleich zu Beginn den Verweis zu einem einmal mehr fantastischen Beitrag des DEUTSCHLANDFUNKS mit dem Titel Working Class: Die Wohlstandsillusion. In dem Hörbeitrag geht es um das Sachbuch „Working Class: Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können“ von Julie Friedrichs, welches u.a. für den Deutschen Wirtschaftsbuchpreise 2021 nominiert wurde. Wenn man sich diesen Beitrag anhört, dann kommt man nicht drum herum, jedenfalls geht das mir so, die geplante Rentenerhöhung als eklatant unfair zu empfinden.

Die Goldene Generation
Bei den Wirtschaftswunderkindern, also der Nachkriegsgeneration, die jetzt Rente beziehen, so der Hörbeitrag, handele es sich um eine Generation, die in einer Zeit ohne Staatsschulden, in beispielloser Zuversicht und grenzenlosem Optimismus aufgewachsen sei. Ein einfacher Abschluss hätte gereicht, um sich ein Haus oder eine üppige eine üppige Wohnung, Restaurantbesuche, Urlaub im Süden leisten zu können und darüber hinaus noch Rücklagen zu bilden, sich ein Vermögen aufzubauen. Wenn es in eine Richtung ging, dann sei das immer nur eine Richtung gewesen, nach oben. Aus einem Fahrrad wäre ein Motorrad geworden, daraus ein Auto, das wäre selbstverständlich gewesen. Die Infrastruktur, Schulen, Schwimmbäder usw. wären da gewesen und in tadellosem Zustand. Goldene Generation würde von vielen jene der heute 70-Jährigen genannt, weil sie stets zum richtigen Zeitpunkt und in jeder Lebensphase am richtigen Ort gewesen sei. Es sei wahrscheinlich, dass es sich bei dieser Generation um jene handele, die wohlhabender und besser umsorgt sei als alle Generationen davor und vor allem jene danach. „Wer damals jung war“, so wird der Journalist Sven Kuntze zitiert, „brauchte nur noch zuzugreifen“. Nun sei es dieselbe Generation gewesen – Betriebsräte, die eigenen Eltern, ältere Kollegen – die den Weg nach oben für die Nachkommenden blockieren würde. Feste Stellen würden durch ebenjene Generation gekürzt, Betriebsrenten gekappt, Aufstiegschancen gemindert. Die Hoffnung auf Sicherheit, die ihnen selbst zu Teil gewesen wäre, anderen versagt. Und die Jüngeren, vor allem alle jene nach 1980 geborenen, die müssten nun mit einer geringen gesetzlichen Rente auskommen und, sollte diese nicht reichen, eben privat vorsorgen, was nicht geht, weil die Jobs prekär sind und keine Sicherheit bieten. Im Hörbeitrag wird den einstigen Verhandlern hier Kalkül unterstellt. Es sei dieser Generation bewusst gewesen, dass die Generationen danach nicht gleichgut versorgt wäre. Ich erinnere an dieser Stelle daran, dass wir GERADE DABEI SIND, DIE BEZÜGE FÜR GENAU DIESE GENERATION ZU ERHÖHEN!

Die Arbeiterklasse
In dem Beitrag werden zwei reale Beispiele jüngerer Menschen eingebracht, die die Misere der heutigen Arbeiterklasse darstellen sollen. Mit Arbeiterklasse ist hier nicht, wie man annehmen könnte, der Straßenkehrer gemeint oder der einfache Bauarbeiter, sondern jener Mensch, der arbeitet und schuftet, um zu leben und dem es nicht möglich ist, Vermögen zu bilden und auch nicht mit einem Vermögen ins Leben startet. Jene, die nicht geerbt haben, kein finanzielles Startpolster, keine einflussreichen Kontakte haben, SONDERN SICH ALLES SELBST ERARBEITET MÜSSEN. Da ist zum einen eine U-Bahn-Putzkraft, der Tag- ein Tag aus einen wichtigen Job macht, nämlich die U-Bahnen für uns alle sauber zu halten, und dafür miserabel entlohnt und darüber hinaus auch noch von vielen verachtet wird für das, was er tut. Aber das Wichtigste: Während sein Vater in ähnlicher Position eine Generation vorher von solch einer Arbeit nicht nur leben, sondern sogar richtig gut leben und auch noch sparen konnte, reicht sein Gehalt gerade so aus, um zu leben, aber für mehr eben auch nicht. Arbeiter sind aber auch ein Musikerpaar. Beide Akademiker, stellen die beiden den Typus junge Generation dar, die enorm viel Zeit und Geld in die Ausbildung gesteckt hat, im Prinzip maximal, alles was geht, aber trotzdem miserabel verdient. Ihr Haus können die beiden geradeso tilgen, für ein zweites Auto reicht das Geld nicht. Das Gehalt wurde seit 10 Jahren nicht erhöht. Und sind sie krank, dann gibt es auch kein Geld. Der Rentenbescheid macht den beiden schon jetzt klar, dass sie in der Altersarmut landen, was sie nur vermeiden können, wenn sie privat vorsorgen, wofür wiederum das Geld nicht reicht. Ich denke, wir ab 1980 Geborenen können ein Lied davon singen und viele werden sich bei diesem Beispiel gewiss selbst finden.

Warum die Dinge so sind, wie sie sind
Die Gründe, warum die Dinge so sind, wie sie sind, sind vielfältig, aber die für mich wichtigsten Punkte möchte ich kurz nennen. In den letzten Jahrzehnten ging es volkswirtschaftlich nach oben, aber eben nicht für alle gleich, sondern vor allem für jene, die ohnehin schon gut betucht waren. Veranschaulicht wird das an einer Rechnung. Ein Angehöriger der reichen Schicht verdient 3.000 EUR, ein Arbeiterkind 1.500 EUR. Mit der Wohlstandssteigerung verdoppeln beide nun das Gehalt, der eine verdient also 6.000 EUR, der andere 3.000 EUR. Beide haben faktisch 100% mehr in der Tasche, jedoch ist der Abstand zwischen den beiden größer geworden, nämlich ist von 1.500 EUR auf 3.000 gestiegen. Und genau das ist das Problem. Die einen startet de facto mit der Rolltreppe und dieser Vorsprung ist nahezu uneinholbar. Bis etwa zum Jahrgang 1980 hatten Arbeiterkinder noch eine 50:50 Chance, sich aus den Klauen der Umstände der eigenen Herkunft selbst zu befreien, indem sie Abitur machten. Da heute aber nahezu jeder Abitur macht, hat dieses an Wert verloren und ist keine Garantie für ein höheres Gehalt. Was unterm Strich bleibt ist eine Minderheit, die den Wohlstand unter sich ausmacht und Vermögen sowie Führungspositionen auch stets unter sich verteilen. Der große Rest der Gesellschaft startet gegen den Lauf der Rolltreppe und kann sich abstrampeln wie er will, es gibt kein Vorankommen! Aus dem Hörbeitrag geht hervor, das Deutschland europaweit zu den Ländern mit der GERINGSTEN CHANCENGLEICHHEIT gehört.

Die Rentner
Und um jetzt die Kurve zu den heutigen Rentnern hinzukriegen, folgendes. Natürlich sehen wir alle die alten Leute, die das Altglas aus Müllcontainern fischen. TUT MIR AUCH LEID, TUT ES NATÜRLICH, denn niemand sollte so leben müssen. Aber unterm Strich hat diese sogenannte goldene Generation Kohle bis zum Abwinken und führt einen Lebensstil, der jenen aller Generationen davor und danach weit in den Schatten stellt, das wurde oben erklärt und wer möchte ist eingeladen, sich den oben verlinkten Beitrag des DLF anzuhören. Diese Generation hinterlässt uns on top viele Probleme, z.B. einen völlig kaputten Planeten, verschmutzte Meere und ja, den Klimawandel, um nur einige zu nennen. Natürlich haben wir auch etwas damit zu tun, aber die Konsequenzen bekommen nunmal wir in unserer Lebenszeit zu spüren  und WIR müssen diese lösen. Wir sind es, die sich aus ökologischen und etischen Gründen für eine vegane Ernährung entscheiden (müssen). Wir sind es, die mit Fahrrädern und Zügen zur Arbeit fahren (müssen). Wir sind es, die mit dem Zug in Urlaub fahren (müssen). Wir sind es, die mit Kindern in engen Wohnungen leben (müssen), weil alle größeren in den Händen der goldenen Generation sind. Wir sind es, die Windräder aufstellen (müssen) und endlich die Elektromobilität gegen den verdammten Verbrenner durchsetzen (müssen). Und wir sind es, die trotz unbezahlten Praktika, Auslandserfahrung und Fremdsprachenkenntnissen, trotz Studium und wahrscheinlich Rente mit 70, die trotz allem in der Altersarmut landen. DESHALB: Wenn Rentenerhöhung, dann bitte an die Wenigen dieser Generation, die das auch wirklich brauchen und nicht mit der Gießkanne an die, die mit Mitte 50 in Frührente gegangen sind, 3.000 aufwärts in der Tasche haben und mit dem Segelboot und dem Camper die gerade untergehende Welt besichtigen. STATTDESSEN: Mehr Geld für die heutige Arbeiterklasse, mehr für Familien, Alleinerziehende, mehr Geld an alle, die gegen die Rolltreppe anstrampeln und nicht vorankommen.

Schlichtweg ungerecht
Nicht nur die jetzige Rentenversicherung ist unfair, sondern das ganze Rentensystem an sich. Dass das Rentensystem ein System von Reichen für Reiche ist, kann man hier in einem Artikel der Wirtschaftswoche nachlesen. Demnach leben Reiche länger und erhalten deshalb weit mehr Rente, als sie einzahlen, DAS IST UNFAIR! Warum? Weil normale Arbeiter dagegen viel früher sterben und deshalb nur kurz in den Genuss der Rente kommen. Daher zahlen sie mehr ein, als sie kriegen und der Restbetrag geht an die mit dem Privileg des langen Lebens gesegneten, die Reichen natürlich, die Politiker Firmenchefs, an die Beamten. DAS IST EINE FRECHHEIT! Das Handelsblatt schreibt in diesem Artikel hier über die Ungerechtigkeit der jetzigen Rentenerhöhung, die schwer vermittelbar ist gegenüber der arbeitenden, jungen Bevölkerung, ALSO UNS! Diese leidet (unter anderem) massiv unter den Folgen der Pandemie und muss durch Steuern die nun höheren Renten finanzieren. Es wird hier klar beschrieben, dass es sich bei der Erhöhung um Klientelpolitik handelt, also Handlungen von alten Leuten in der Politik für alte Leute in der Bevölkerung. Als unfair betrachtet die Sache auch dieser Artikel hier auf t-online. Hier wird sich zu Recht aufgeregt über den Status der Beamten, die nichts, aber auch gar nichts einbezahlen und mit beiden Händen so viel nehmen, wie sie tragen können. Der Text endet mit dem Fazit, dass dieses System an sich reformiert werden muss, weil es schlichtweg unfair ist, zum Beispiel durch ein Grundeinkommen für alle. Da dürften allerdings Beamte, Reiche, derzeitige Pensionäre und alte Politiker etwas gegen haben, weil genau sie von der derzeitigen Situation profitieren.

Ma San

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