Zum Machu Picchu auf dem Lares Trek
Vom unendlichen Grün des Amazonas bis auf die schneeweißen Gipfel der Anden
Wenn ich an Peru denke, dann höre ich die Myriaden von Insekten, die die Abenddämmerung des Amazonas besingen, während die Baumkronen in unendlicher Zahl den Horizont bilden und der Himmel in seinem immer dunkler werdenden Blau mit diesen verschmilzt. Wenn ich an Peru denke, dann sehe ich die schneebedeckten Gipfel der Cordillera Blanca, die unnahbar scheinen, so majestätisch, als wären sie immer da gewesen, und komme mir auch jetzt noch so klein und unbedeutend vor. Wenn ich an Peru denke, dann spüre ich auch jetzt noch die Gänsehaut, als meine Augen durch die feuchten Wolken die ersten Fragmente von Macchu Picchu erhaschen. Ich glaube nicht, dass ich dieses Gefühl, dass ich diesen Anblick je vergessen werde. Ich glaube nicht, dass ich Peru vergessen werde.
Anmerkung:
Dies ist der erste Teil einer Peru-Reise. Im zweiten Teil, Unterwegs im Amazonasgebiet,verschlägt es uns in die Weiten des Dschungels bei Puerto Maldonado. Im dritten Teil wandern wir durch die höchste Gebirgskette Südamerikas, die Cordillera Blanca,
Cusco
Alles beginnt in Cusco, alles begann in Cusco. Das verrät die Statue von Pachacutec auf dem Plaza de Armas – jener berühmte neunte Inca, der von hier aus das Volk der Quechua zu nie dagewesener Blüte führte und der auch jenen sagenumwobenen Ort erschaffen lies, wegen dem wir hier sind – Machu Picchhu. Dieses liegt jedoch noch in weiter Ferne, denn zunächst fordern die 3.400 Meter über dem Meeresspiegel ihren Tribut von uns. So wie von den meisten Reisenden, die direkt von der Hauptstadt Lima, also vom Meeresspiegel aus, in die große Höhe reisen. Wer wie wir nicht die Zeit hat, sich über Tage, ja Wochen Stück für Stück in die Höhe zu arbeiten und sich langsam zu akklimatisieren, geht dieses Risiko ein. Es gilt, die ersten Tage ruhig anzugehen, sich nicht zu viel zu bewegen, viel zu trinken und sich den ein oder der anderen Kokatee zu genehmigen, bestehend aus diesen im Westen in Verruf gekommenen Kokablättern, die hier in Peru seit jeher in der Höhe gekaut werden. Und trotzdem, nur zu schnell sind wir außer Atem, bewegen uns ungewohnt langsam und nicht gerade freundlich gesinnte Kopfschmerzen überfallen uns. Uns wird übel. Es war klug, genug Zeit in Cusco vor der großen Wanderung einzuplanen, denn zweieinhalb Tage Zeit brauchen wir schließlich, um uns zumindest halbwegs zu akklimatisieren und überhaupt daran zu denken, in noch höhere Gegenden aufzusteigen.
Für ein paar Soles
Cusco ist eine malerische Stadt, die verschlafen daliegt zwischen hohen Bergen und in der Ferne den ein oder anderen Gletscher offenbart. In einigen Straßen sind die Spuren der Inca noch ganz deutlich sichtbar. Mauerwerk, ohne Mörtel verlegt mit so präzisen Fugen, dass keine Messerklinge hineinpasst. Koloniale Architektur wie die mächtige Kathedrale symbolisieren die Ankunft der Spanier. Ihre Dimension zeugt von Größe, aber auch von der Macht und Brutalität, mit der diese dem Volk der Quechua – als Inca wurde stets nur der Herrscher bezeichnet, nicht das Volk – begegneten und diese schließlich vernichteten. Wie die gebaute Stadt eine der Gegensätze ist, so verhält es sich auch mit dem Leben in Cusco.
Was kommt, wird hart!
Einheimische Frauen aus den Bergen schlendern in ihren bunten Gewändern durch die Straßen, mit geflochtenen langen Zöpfen und den so typischen Hüten der Anden, die immer so aussehen, als setze man sie sich einfach nur locker auf den Kopf. In ihren von der Sonne gegerbten Gesichtern spiegelt dich die Härte der Berge wider, die allgegenwärtige Armut, aber auch die Lust am Leben und im Einklang zu sein mit der Welt. Sie schlendern umher zwischen zahllosen Treckingbüros, in denen die vielen Westler ihre Touren buchen, und den vielen gemütlichen Restaurants, in welchen sie sich die erlebten Abenteuer erzählen. Es gibt das Cusco der Touristen wie das der Einheimischen, wie es am Markt zu finden ist.
Dicht gedrängt sitzen sie zusammen und essen die Speisen der unzähligen Garküchen. Reis mit Ei, Hühnersuppen, überall wird geschlürft und erzählt. Schweine werden vor unseren Augen in ihre Bestandteile zerlegt und große sich bewegende Plastiktüten auf dem Boden eines Händlers verraten, dass der Inhalt noch lebt. Es geht wild zu hier, und makaber sieht mich ein auf einer Theke liegender abgetrennter Kopf eines Schweines an. Für sechs Soles, umgerechnet zwei Euro, trinken wir den besten Saft unseres Lebens, gepresst aus allerlei exotischen Früchten, und decken uns anschließend für unsere Reise ein. Nüsse, Bergkäse, Früchte, Schokolade. Denn was kommt, wird hart.
Calca
Nach drei Tagen fühlen wir uns endlich so gut, dass wir aufbrechen können. Ziel ist Macchu Picchu, und unser Guide Leo möchte uns in einer viertägigen Wanderung zusammen mit unserer kleinen Gruppe dorthin führen. Natürlich könnten wir, wie viele andere dies tun, mit dem Zug nach Aguas Calientes fahren, jenem letzten Ort vor der archäologischen Stätte, und von dort aus hinaufsteigen. Doch für uns ist die berühmteste Sehenswürdigkeit Südamerikas, um das mal im Superlativ auszudrücken, nicht einfach eine zum Abhaken, nicht einfach ein Ort auf einer Liste. Macchu Picchu ist ein Ort großer Sehnsucht und die Wege dorthin führen durch malerische Landschaften. Nie im Leben wollen wir diese verpassen, möchten uns stattdessen Zeit nehmen und auch allein sein in der Weite dieses fantastischen Kontinents, diesen erleben. In einem Geländewagen fahren wir zunächst ins eine Stunde nördlich gelegene Calca. Vorne sitzen unser Guide und Köche für die diese Reise. Wie richtige Outdoorcracks sehen sie aus, und wir fühlen uns gut aufgehoben in ihrer Obhut. In Calca angekommen, machen wir auf einem Markt, noch viel wilder und exotischer als in Cusco, letzte Besorgungen.
In den Bergen
Wir lassen die Zivilisation schließlich hinter uns und dringen immer weiter in die Welt der Berge vor, in die Wildnis. Steil ächzt unser Wagen die Serpentinen hinauf, und ein Schotterweg löst bald die asphaltierte Straße ab. Wir überholen einen ein Jeep, auf dessen Dach sich ein Hund in jede Kurve legt, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, und schaffen es gerade noch, vor einer gerade die Straße überquerenden Schafherde zu bremsen. Die Kurven, auf denen wir uns in die Höhe schrauben, zeigen ein immer mächtigeres Panorama. Schon bald sehen wir die ersten schneebedeckten Gipfel zur einen und weite grüne satte Täler zur anderen Seite, die steil hunderte Meter tief unter uns liegen. Ich schaue die Scheibe hinaus und freue mich einfach, unterwegs zu sein, so weit weg von zu Hause inmitten dieser Landschaft, und fühle mich lebendig.
Baden unter freiem Himmel
Nach zwei Stunden erreichen wir Lares, wo wir den letzten Luxus vor unserer Wanderung genießen, ein Bad in heißen natürlichen Thermalbädern. Kurz darauf werfen wir uns in die unterschiedlich temperierten Bäder unter freiem Himmel, umgeben von Bergen und dem blauen Himmel, während unsere Köche das Mittagessen vorbereiten.
Unterwegs auf dem Lares Trek
Frisch gestärkt wandern wir gegen Mittag zusammen mit unserer sechsköpfigen Gruppe los. 30 Kilometer auf dem Lares Trek liegen vor uns, und voller Enthusiasmus arbeiten wir uns die erste vor uns liegende steile Steigung hinauf. Langsam verschwindet Lares aus dem Blickfeld, und schon bald ist nichts mehr zu hören als unsere eigenen Schritte und die Vögel. Unmittelbar vor mir trinkt ein Kolibri den Nektar einer herabhängenden Blüte, arbeitet sich sachte nach oben mit unzähligen Flügelschlägen, fast wie ein Insekt. Wir überqueren aus den Bergen entspringende Bäche und begegnen Einheimischen, Hirten mit ihren Herden, kleinen Kindern, und marschieren durch winzige Dörfer. Drei kleine Hütten stehen da vor uns, Kinder laufen uns zu und rufen „Plata, Plata“, „Silber, Silber.“ Die Armut, aber auch die Gerissenheit ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Dort liegt ein kleiner Junge im Sand und schläft in den späten Nachmittag hinein. Weiter den Berg hinauf kreuzen die ersten Alpacas unseren Weg, diese für Peru so berühmten Tiere, die den Lamas ähneln. Putzig sehen sie aus mit ihrem dichten Fell und den Stupsnasen. Die Landschaft ist malerisch, das satt grüne tief liegende Tal wird gerahmt von den steil hinauf ragenden Bergen, an dessen Rändern wir uns hinaufarbeiten in die Höhe.
Unter fremden Sternen
Am Abend erreichen wir unsere erste Schlafstätte am Rande des Dorfes Huancahuasi, wo unsere Zelte bereits aufgebaut auf uns warten. Mit Pferden wurde unsere Ausrüstung bereits hierher transportiert. Kurz darauf sitzen wir hungrig in unserem kleinen Gemeinschaftszelt und kommen uns vor wie in einem Basislager für Bergsteiger. Mit unseren Stirnlampen sitzen wir uns gegenüber, trinken Kokatee und freuen uns auf das Essen. Unser Koch zaubert uns eine vegetarische Ceviche, einfach traumhaft, und noch lange sitzen wir da und lauschen heiter den Geschichten unseres Guides Leo, der uns viel erzählt über die Kultur und Historie Perus, aber auch von seinen halsbrecherischen Abenteuern. Als wir spät abends aus dem Zelt steigen, ist die Dunkelheit absolut, unverfälscht. Nicht ein einziges elektrisches Licht ist zu sehen. Die Sterne leuchten unter dem Himmel der schwarzen Nacht so klar, wie ich sie nie gesehen habe. Die Sterne bilden mir unbekannte Formationen, und auch der Viertelmond zeigt sich in einem anderen Gewand. Wie ein Schirm sieht er aus, als wollte er uns vor dem Regen schützen. Die Einsamkeit wird lediglich unterbrochen vom Bellen der Hunde im nahe gelegenen Dorf. Durch die eiskalte Nacht bahnen wir uns unseren Weg zum unserem Zelt, kuscheln uns in unsere Schlafsäcke uns schlafen sanft ein, während der Wind sachte an unserem Zelt vorbeiweht.
Die Luft wird dünn
Nach einem langen Frühstück und ausreichend Kokatee brechen wir um sechs Uhr morgens auf. Ich setze meine Gehstöcke auf, links, rechts, und gehe weiter, immer weiter nach oben. In dieser Höhe wachsen keine Bäume mehr, keine Sträucher, lediglich niedrig wachsendes Gras.Und auch dieses weicht mehr und mehr dem Grau von Fels und Steinen. Ist die Sonne gerade verdeckt, brauchen wir unsere Winterjacken. Scheint sie durch, ziehen wir uns bis auf unsere T-Shirts aus. Die Gegebenheiten sind extrem hier oben. Wir sehen keine Menschenseele, nur das ein oder andere Alpaca, die uns schweigend mit ihren süßen Schnauzen anstarren, als ob sie sagen wollen: „Wir sind für diese Welt gemacht, ihr nicht.“ Langsam, wir nähern uns der 4000 Meter Marke, macht sich die Höhe deutlich bemerkbar. Ich brauche mehr Luft, mein Herz schlägt schneller, und Kopfschmerzen kündigen sich an. Das Panorama um uns herum ist fast surreal. Berge, soweit das Auge reicht, die hinter uns einen Canyon formen, und der strahlend blaue Himmel über uns.
Vor uns ist alles grau, die Gipfel schneebedeckt, und den höchsten Punkt, auf den wir zusteuern, krönt ein mächtiger, schneebedeckter Berg. Nach nunmehr vier Stunden weiß ich, dass mir der restliche Weg alles abverlangen wird. Ich brauche deutlich mehr Pausen als vorher und bald, uns fehlen noch 500 Höhenmeter, kann ich nur noch 10 Meter gehen, um dann eine Minute Luft zu holen. Ich bin an der Grenze meiner eigenen Belastbarkeit angekommen. Doch der Ausblick, den ich mir nach Erreichen des Gipfels ausmale, treibt mich an. Und endlich, nach 7 Stunden Wanderung steil hinauf in die Höhe, stehe ich auf 4.400 Metern.
Über einen wunderschönen, von Bergen flankierten Bergsee blicken wir in ein scheinbar endloses Tal, dessen Ende ich in der Weite nicht erkennen kann. Wir verweilen eine Zeit lang in Stille, bevor wir uns gegenseitig gratulieren, und laufen dann hinunter dem See entgegen, wo unsere Köche schon mit dem Mittagessen auf uns warten. Wir sind froh über jeden Meter niedrigerer Höhe. Unser Lager für die Nacht schlagen wir schließlich in 3.900 Metern zu Füßen des Gletschers Pumahuanca auf, und erschöpft treffen wir uns kurz darauf im Gemeinschaftszelt zu Tisch.
Die Atmosphäre ist unbeschreiblich. Zusammen mit Weggefährten mutterseelenallein in einer solchen Landschaft zu sein, erfüllt einem mit Glück. Auch diese Nacht wird eisig, selbst in unseren -25 Grad Schlafsäcken frösteln wir noch ein wenig. Noch eine Weile lausche ich dem Wind, der gegen unser Zelt peitscht, und falle in einen tiefen Schlaf. Am Morgen stehe ich früh auf und während ich auf die Sonne warte, deren Strahlen sich bald am Pumahuanca brechen, beobachte ich eine Gruppe Lamas, die an unserem Camp vorbeizieht. Dann wandern wir langsam das Tal hinab. Geröll und Stein wird wieder durch Wiesen abgelöst, aus denen bald Sträucher und Bäume wachsen, die sich weiter unten zu Wäldern gruppieren. Man kann die Vögel wieder hören, Schafherden kreuzen wieder unseren Weg und es begegnen uns die ersten Menschen. Wir sind zurück in der Zivilisation und fast traurig darüber. Nach einem letzten gemeinsamen Essen ist es Zeit, sich von unseren zwei Köchen und Pferdeführer zu verabschieden. Am Nachmittag sitzen wir in einem Geländewagen und fahren nach Ollantaytambo, diese hübsche Kleinstadt am Ende des sogenannten Sacred Valley, wo wir den restlichen Tag verbringen und wo aus wir ab späten Abend tief erschöpft in den Zug nach Aguas Calientes setzen. Der Zug ist voll mit Touristen aus aller Welt. Sie alle wollen nach Aguas Calientes, dem letzten Ort vor Machu Picchu.
Machu Picchu
Es ist fünf Uhr morgens, als wir uns in die lange Schlange einreihen. Die vielen Busse stehen auch schon da, und müde warten wir, bis sich die Menge in Bewegung setzt. Bald ist es soweit, und wir sitzen wir im Bus, der sich mühsam Serpentinen hoch quält. Ich wische die angelaufene Scheibe frei, und unscharf kann ich dahinter dutzende steil in den Himmel ragende Berge in der Dunkelheit erkennen, durch dessen Lücken mit steigender Höhe sich mächtigere Wolken schieben. Dichter Dschungel ergibt uns, und entgegen dem kalten Gebirge, wo wir uns die letzten Tage noch befanden, ist es hier schwül, tropisch, viel wärmer. Zusammen mit Touristen aus aller Welt werden wir vor den Toren Machu Picchus abgesetzt. Mehr als eine halbe Million Besucher strömen Jahr für Jahr hier her. So muss man sich diesen Ort, ob man möchte oder nicht, mit ihnen teilen.
Es ist dicht bewölkt, als wir durch die Grenzmauern des Komplexes schreiten. Und unvermittelt offenbart sich vor uns, zunächst in Fragmenten durch die Wolken, die unmittelbar vor uns vorbeiziehen, Machu Pichhu. Was wir sehen, ist von solcher Schönheit, solcher Würde und Erhabenheit, dass man glauben könnte zu träumen. Still liegt diese Stätte der Inca unter uns, und ich bin der Wucht dieses Anblicks zunächst nicht gewachsen, kann ihn nicht verarbeiten. Im Vordergrund diese sagenumwobene Stadt auf der Spitze eines riesigen, von dichtem Dschungel überwachsenen Bergs, und rundherum fallen Schluchten hunderte Meter in die Tiefe hinab. Die weit unter uns liegenden Täler werden durch Wolken verdeckt, die hier und da aufreißen und einen Blick hindurch gewähren. Um uns herum, nah und fern, riesige Berge, an dessen Rändern sich die aufgehende Sonne bricht, dessen satte Strahlen man plastisch wahrnimmt durch die hohe Luftfeuchtigkeit. Der Augenblick könnte mystischer, magischer nicht sein.
Die Chasqui
Ich muss an die Chasqui denken, von denen uns Leo zuvor erzählt hat. Wie gebannt lauschten wir seinen Worten. Die Chasqui waren die Läufer der Inca, durchtrainierte und kampferprobte Athleten, die, wenn man so will, den Erfolg des riesigen Reiches sicherstellten, das von Ecuador über Peru und Bolivien, über Chile bis nach Argentinien reichte. Die Inca erkannten, dass zur Erhaltung und Erweiterung ihrer Macht, die sich über tausende Kilometer durch die unwegsamen Weiten der Anden erstreckte, eine Sache essenziell ist – Kommunikation. Diese bedeutete Macht. Die Kommunikation fand über die berühmten Incatrails statt, ausgebaute Wege, die zumeist hoch oben, auf den Graden der Berge entlangführten. Auf diesen Wegen trugen die Chasqui die Nachrichten ihrer Herrscher in codierter Form, die nur die Empfänger dechiffrieren konnten, von einem Ort zum anderen. Von Peru nach Argentinien. Von Bolivien nach Ecuador. Nach 15 bis 42 Kilometern, je nach Lage, gab ein Chasqui dem anderen durch ein Schneckenhorn ein Signal, um abgelöst zu werden. Eine Nachricht von Cusco bis ins ecuadorianische Quito, über fast 3000 Kilometer, wurde auf diese Art und Weise in weniger als einer Woche übermittelt. Der berühmteste aller Incatrails führt durch das Sonnentor nach Machu Picchu und ist heute von so großer Beliebtheit, dass die Zahl der täglichen Trecker auf 500 limitiert wurde.
So kommen heute nur wenige Reisende in den Genuss, die archäologische Stätte durch das berühmte Sonnentor zu betreten. Weshalb Machu Picchu gebaut wurde, man weiß es bis heute nicht genau. Die außergewöhnliche Lage und die Tatsache, dass die zerstörungswütigen und mordenden Spanier auf der Suche nach Gold es nie fanden, lässt außer Zweifel, dass es sich um eine sehr wichtige Stätte handelte. Manche gehen davon aus, dass es aufgrund der Vielzahl verschiedener Tempel eine Priesterschule oder religiöse Stätte war. Andere sind der Meinung, dass Machu Picchu aufgrund der Lage am Rande des Amazonas ein strategischer Standort war, um noch tiefer in diesen einzudringen und zu unterwerfen. Dass es nie dazu kam, lag an den Spaniern, die zum Höhepunkt der Macht der Inca mit Überlegenheit über diese herfielen und besiegten. Man weiß, dass die Stätte irgendwann plötzlich verlassen wurde. Weshalb, auch darüber wird debattiert. Lag es vielleicht an bis dato unbekannten Krankheiten, die die Invasoren einschleppten und denen in allen Landesteilen Millionen Einheimische zum Opfer fielen, und die bis hierher gelangten?
1911 jedenfalls fand Hiram Bingham, der echte Indiana Jones, auf der Suche nach Vicabamba, das er als Exil der Inca nach der Eroberung Cuscos durch die Spanier im Jahr 1532 vermutete, Machu Picchu. Obwohl er Reichtümer in der Stadt vermutete, konnte er nur Gegenstände des alltäglichen Lebens finden. Ein Indiz dafür, dass es sich doch eher um eine religiöse Stätte handelte oder gar eine Sommerresidenz für den Inca aus Cusco? Oder wurde das Gold aus Angst vor den Spaniern weggebracht und wenn ja, wohin? All das geht mir durch den Kopf, als ich durch die vielen Gänge und Räumlichkeiten laufe, dessen Mauerwerk ineinander verzahnt ist, perfekt verfugt und ohne Mörtel in exakt 13 Grad nach oben verlegt. So hielt und hält es jedem auch noch so starken Erdbeben stand. Ein großer Teil des Komplexes besteht aus Terrassen für die Landwirtschaft und Räumlichkeiten für die Lagerung von Lebensmitteln, zu erkennen an den vielen Öffnungen, konzipiert für die Belüftung und Kühlung. Dies ist ein Beweis dafür, dass die Inca jenes Wetterphänomen kannten, das ca. alle zehn Jahre auftritt und älteren Kulturen wie z.B. den Nasca zum Verhängnis geworden ist, El Niño. Aus geringen Änderungen der Meerestemperatur vor Peru entsteht ein Zyklus, der das Wetter für ca. ein Jahr lang verrücktspielen lässt. Extreme Dürren an der einen und extreme Regenfälle an der anderen Stelle sind die Folge. Die Inca waren sich dessen bewusst, deswegen die Vorräte, eine Vorsorge für schwierige Zeiten.
Abschied
Machu Picchu wird von zwei Bergen flankiert, Wayna Picchu und dem Machu Picchu Mountain. Letzterer ist höher, und wir machen und auf den Weg nach oben, um zwei Stunden später von 3000 Metern den Ausblick in die Umgebung zu genießen. Später, wir sind wieder hinabgestiegen, sitzen wir am Sonnentor, und passend dazu bescheint uns die Sonne. Der Abend kündigt sich langsam an und die ersten Grillen zirpen, der Dschungel um uns herum erwacht. Nach vier Tagen Wanderung und nunmehr zwölf Stunden pausenlos auf den Beinen, sind wir bis ins tiefste Mark erschöpft. Den einzigen Weg, den wir noch gehen wollen, ist der Weg hinunter nach Aguas Calientes. An den Bahngleisen, es ist spät am Abend, trennen sich die Wege unserer Gruppe. Leo muss sich beeilen, denn die nächste Reisegruppe wartet schon auf ihn. Sein Leben als Tourguide ist hart, keine Frage, doch ich beneide ihn auch um seine Freiheit, um sein Leben hier draußen. Unsere anderen Weggefährten machen sich auf, weiter nach Bolivien, zurück nach Frankreich. Wir umarmen uns und nehmen Abschied voneinander. Wir sind traurig, denn gemeinsame Erlebnisse wie diese verbinden auf eine sehr tiefe Art und Weise. Doch die Traurigkeit wird abgelöst durch die Erinnerung an das Gesehene und an das, was noch kommt. Wir schwingen uns unsere 20 Kilo Rucksäcke auf und verschwinden im Zug. Ich schaue hinaus aus dem Fenster, so lange, bis mich die Dunkelheit nur noch mich selbst sehen lässt, und freue mich – freue mich des Lebens, und unterwegs zu sein. Auf uns warten das endlose Grün des Amazonas und die schneeweißen Gipfel des zweithöchsten Gebirges der Welt, der Cordillera Blanca.
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