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Sakyong Mipham: Running Buddha (Buchrezension)

Running Buddha – laufend zu sich selbst finden. “What the hell is this about?”, wird sich jetzt der ein oder andere Läufer fragen. Wir Läufer wissen alle, dass während dem Run etwas passiert in unseren Köpfen. Der Umgang damit ist jedoch denkbar unterschiedlich. Die einen stecken sich Stöpsel in die Ohren, andere nehmen sogar ein Diktiergerät mit, weil sich nur beim Laufen diese glasklaren Gedanken offenbaren. Wiederum andere berichten von einer Art Void, in dem sie gar nichts mehr denken. Ich selbst bespielsweise schreibe sehr viel, zum Beispiel diesen Artikel hier, Kurzgeschichten oder Songtexte. Unheimlich viele Ideen für diese Arbeit überkommt mich beim Laufen. Deshalb interessiert mich dieses Thema auch so sehr. Haruki Murakami schreibt in seinem Buch „Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede“ darüber, dass er alles, was er übers Schreiben wisse, vom Laufen gelernt habe. Sakyong Mipham hat ebenfalls eine ganz eigene Sichtweise auf das Laufen. Als weltweit viel beachteter buddhistischer Lehrmeister und leidenschaftlicher Läufer beschäftigt er sich in seinem Buch ‘Running Buddha’ mit dem Zusammenhang von Meditation und Laufen. Ein ‘Very GOOD READ’, der beim mir selbst jetzt schon Früchte trägt.

Zwei Jogger laufen nebeneinander in der Stadt
„Das Leben sollte geachtet, gewürdigt, voll und in seiner Ganzheit gelebt werden.“ Bild: Pixabay

Meditation und Laufen
Meditation und Laufen, das seien zunächst zwei unterschiedliche Dinge. Der Geist brauche Stille, der Körper Bewegung. Während sich das Laufen an der Gedankenperipherie abspiele und der Ertrag aus ihr nur temporär sei – Mipham nennt als Beispiel den Geistesfrieden nach dem Lauf, der nur eine Zeit lang anhalte – vermag es die Meditation hingegen, bis hin zur Erleuchtung führen. Trotzdem seien Körper und Geist miteinander verbunden und ständen in einer natürlichen Beziehung zueinander. Beide Aktivitäten könnten Hand in Hand gehen und sich so einander ergänzen. Was heißt können – müssen! Denn, wir müssten uns beiden Aktivitäten widmen, dem Laufen und der Meditation, Körper und Geist gleichermaßen schulen und in eine Harmonie und Balance bringen. Schaffe der Mensch das, sei er glücklich. Konkret heißt das, dass sich eine Entlastung des Körpers nach Mipham direkt auf den Geist auswirkt. Dieser müsse sich so nämlich nicht mehr mit den Unbehagen des Körpers auseinandersetzen und folglich führe körperliche Bewegung zu einer positiven Einstellung. Beim Laufen habe man ein Gefühl von Freiheit, lasse Sorgen und Stress hinter sich und sei sehr präsent. Doch was ist das eigentlich, präsent sein? Präsent sein heiße, der Tagträumerei, Plänen und dem emotionalen Auf und Ab unserer Gedankenwelt keinen Raum zu lassen, eben präsent, im Hier und Jetzt zu sein. Das falle Menschen in der westlichen Welt zunehmend schwerer, wo kaum jemand noch etwas voll und ganz mache. Gespräche würden halbherzig geführt und Multitasking praktiziert, in dem man beim Essen lese oder während dem Fernsehen auf dem Smartphone rumtippe. Das Leben würde man so nur oberflächlich wahrnehmen und reale Probleme seien die Folge, wie zum Beispiel die Trennung vom Partner oder ganz simpel Verdauungsbeschwerden. In dem man präsent sei, gönne man dem Geist eine Pause, der wiederum Stärke aufbaue. Dadurch nehme unser Gedächtnisvermögen zu und man sehe die Welt aus verschiedenen Perspektiven. Gleichzeitig übe man sich in Gewahrsein und der Wertschätzung seiner selbst und seiner Umwelt. Kurz, es geht hier um Laufen mit meditativem Geist und darum, dass wir uns in unserem Alltag viel zu wenig um unser Wohlergehen kümmern.

Hände eines Buddhisten
Meditation und Laufen haben sehr viel gemeinsam. Bild: Pixabay

Der Atem als Schlüssel zum präsent sein – die Tigerphase
Das Grundlegende der Meditation sei der Atem, wesentlicher Aspekt des Lebens, und unserem Umgang mit ihm. Unsere Atmung wirke sich auf den Geisteszustand aus. Würden wir auf den Atem achten, seien wir in der Gegenwart, im Hier und Jetzt, und das schaffe Klarheit für unseren Geist. Befänden wir uns gedanklich jedoch in der Vergangenheit oder Zukunft, sei unser Geist verkrampft. Dann fühlten wir uns schlecht, machten uns Sorgen und hätten Ängste. Die wirkungsvollste Art, präsent und mit der Realität verbunden zu sein, sei es deshalb, bei dem Atem zu sein, diesem Anerkennung zu schenken. Gelinge das, habe man den Schlüssel für die Mediation und sozusagen den meditativen Lauf in der Hand. Präsent zu sein hieße nicht nur, den Geist zu entlasten, sondern auch seinen Körper und seine Umwelt völlig neu zu entdecken. So nehme man das Leben an sich intensiver zur Kenntnis. Man bemerke, wie die Lungen bei der Atmung den Oberkörper und Rücken anheben würden, wie Beine und Arme als Pumpe fungierten, welche Haltung der Oberkörper habe und wie unsere Füße auf dem Boden landen. Dies bezeichnet Mipham gemeinhin als Achtsamkeit, und innerhalb dieser Achtsamkeit gelte es zu entspannen. Ja, man fange an, eine Beziehung zu den elementarsten Aspekten des lebendig seins aufzubauen. Auf diese Weise entstehe ein Abstand zu unseren alltäglichen Angelegenheiten, was ein wesentlicher Bestandteil der Freude eines Laufs sei. Die Achtsamkeit auf den Körper rege die Sauerstoffzufuhr und das Nervensystem an, Körper und Geist würden synchronisiert, Stress abgebaut, Endorphine freigesetzt, was dem Läufer mit dem Gefühl erfülle, lebendig zu sein. „Wenn es eintritt, erkennen wir es!“ Beim Atem zu bleiben, sei zunächst allerdings nicht so einfach, weder beim Laufen noch bei der Meditation. Der Geist hüpfe von einem Gedanken zum nächsten, neige immer dazu, auszubrechen. Auch beim Laufen sei der ungeschulte Geist wie ein wildes Pferd, das dahin hüpfe, wohin es will. Der Geist habe zunächst nicht die Kraft, sich zu fokussieren, und so müsse man das eben Schritt für Schritt lernen, bis man es schaffe, 20 bis 30 Minuten beim Atem zu bleiben, ohne sich von Gedanken ablenken zu lassen. So könne man dieses Pferd langsam zähmen, indem man eine Beziehung des Atems zum Geist aufbaue. Mipham gibt an dieser Stelle eine Anleitung zu dieser Meditationsgrundlage, die man selbst praktizieren kann.

Beine eines Laeufers beim Wettkampf
„Wenn ich das, was ich tue, nicht respektiere, wird es auch kein anderer respektieren.“ Bild: Pixabay

Wie wird man Läufer, wie wird man Meditierender?
Wie fängt man an, mit dem Laufen, mit der Meditation? Warum bleibt der andere dabei und der andere nicht? Nun, die frühe Phase sei kritisch, denn gerade als Anfänger müsse man die Balance finden zwischen ‘nicht genug’ und ‘Übertreibung’. Und aller Anfang sei nun einmal schwer. Nach jahrelanger sportlicher Untätigkeit den Körper zum Aktivsein zu bewegen, den Herzschlag zu beschleunigen und den Blutkreislauf in Schwung zu bringen, sei hart. Müdigkeit, Anspannung und Muskelkater forderten ihren Tribut. Bei jedem Lauf sei das Umschalten von Sitzen auf das Aktivsein zunächst schwierig. Vor allem die ersten 20 Minuten, in denen die Beine wie abgekoppelt zu sein scheinen, seien beschwerlich. Hier helfe es, sich zu motivieren, sowohl kurzfristig als auch langfristig. Ein Trainingsplan helfe ebenso wie die Anmeldung zu einem Wettkampf. Überwinde man in dieser Phase seine Trägheit und schaffe es, sich weiterzuentwickeln, ohne sich zu überlasten, dann würde das Laufen zur Gewohnheit werden. Denn, der Körper strebe danach, gesund zu sein und in Form zu kommen, und so wandle sich dieses anfängliche schmerzliche Bemühen, in dem sich die Trägheit langsam auflöse. Während man beim Laufen der Wechsel in den Aktivmodus die Schwierigkeit darstelle, sei es bei der Meditation genau umgekehrt. Der Geist wolle langsamer werden. Bei beiden Aktivitäten gelte, dass man sie wahrhaftig, mit Leib und Seele, von ganzem Herzen betreiben sollte. Bei der Meditation auf dem Kissen zu sitzen und den Gedanken freien Lauf zu lassen verfehle genauso das Ziel, als wenn man beim Lauf seiner Atmung und seiner Bewegung nicht gewahr, eben nicht achtsam sei und der einzige Zweck darin bestünde, die Sache hinter sich zu bringen. „Das Leben sollte geachtet, gewürdigt, voll und in seiner Ganzheit gelebt werden.“ Das habe zu Beginn viel mit Motivation zu tun. Laufen zum Beispiel könne eine einsame Angelegenheit sein. Zu wissen, warum man etwas tue und dies wertzuschätzen, helfe uns dabei, uns selbst zu respektieren und unser Selbstwertgefühl zu steigern. „Wenn ich das, was ich tue, nicht respektiere, wird es auch kein anderer respektieren.“

Einzelner Läufer
„Wenn du willst, dass es dir dreckig geht, dann denke an dich, wenn du glücklich sein willst, dann denke an andere.“ Bild: Pixabay

Vier Phasen
Diese erste Phase nennt Mipham die Tigerphase, die in die Phase des Schneelöwen mündet. Nachdem man sich in Achtsamkeit geübt habe und dem Atem folgen könne, mache uns das Laufen Freude. War die Konzentration zuvor schwierig, falle sie nun leicht, und das über längere Zeiträume. Zudem seien Knochen, Muskeln uns Sehnen angepasst und der Kampf mit sich selbst sei der Leichtfüßigkeit, dem ‘Runnershigh’ gewichen. Weniger Überzeugungsarbeit sei nun erforderlich, um uns vom Sofa auf die Laufstrecke zu befördern. In dieser Phase sei es an der Zeit, sich vom Inneren nach außen zu wenden. Sprich, ein Auge für unsere Umgebung zu haben, was Mipham als panoramisches Gewahrsein bezeichnet, ohne aber die Achtsamkeit auf das Innere zu verlieren. Von nun an merke man den Wind und die Steine auf dem Boden, sei sich seiner Umwelt gewahr. Diese Phase mündet wiederum in die Garudaphase, in der man, den Tiger und den Schneelöwen nie vergessend, sich Herausforderungen stellen könne. Das könne eine neue Strecke sein oder ein längerer Lauf als zuvor. Zudem sei hier der übergeordnete Sinn für uns klarer. Stets zu wissen, weshalb oder wo man gerade laufe, sei her die Herausforderung. Die letzte Phase ist jene des Drachens. In dieser sei es nun möglich, unsere Konzentration höheren Zwecken zu widmen, da keinerlei Konzentration auf uns selbst mehr erforderlich sei. So könne das Laufen in dieser Phase helfen, eine geplante Veränderung im Leben in die Tat umzusetzen. Man könne auch seine Gedanken anderen Menschen widmen, die uns nahe ständen oder denen es schlecht gehe. Gedanken wie Mitgefühl seien sehr nutzbringende, von uns abgewandte Gedanken. Und darin liegt nach Mipham auch der Schlüssel zum Glücklichsein. „Wenn du willst, dass es dir dreckig geht, dann denke an dich, wenn du glücklich sein willst, dann denke an andere.“ Diese Abkehr von sich selbst lasse den Menschen mit beiden Füßen auf dem Boden stehen und ermögliche es, auch über sich selbst lachen zu können.

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