Laufen, Sport,  Ultra&Trail

ULTRA – erster Versuch

Donnersberg Ultra Trail – 50 Kilometer, 2.000 Höhenmeter. Über Stock und Stein, hoch hinauf und wieder runter. Es war das erste Mal, dass ich mich an so einen Lauf heranwagte, Neuland für mich also. Der Trail wiederum ist nichts Neues für mich. Hier in meiner neuen Gegend am Rand des Pfälzer Waldes gibt es ständig irgendwelche Trail-Wettkämpfe und ich bin es gewohnt, ein paar hundert Höhenmeter bei einem Lauf zu machen. Das hier aber ist etwas Anderes, was man bei der der Fahrt hierher, den Teilnehmern, an allem sieht. Das hier sind keine normalen Läufer*innen, das sind Ultraläufer*Innen, die Gespräche führen, für die einen neutrale Zuhörer für verrückt halten würden. Da sind Leute dabei, für die ist so ein Lauf wie dieser hier ein Picknick, gar nichts. Ich sehe auch gleich jemanden, den ich kenne bzw. der mir bekannt ist, Pierre Emmanuel Alexandre, ein Eliteläufer aus Frankreich. Bei einem Trail-Rennen im Rahmen des WASGAUCUP während Covid hat der sich mal in den Pfälzer Wald verirrt und selbst die vermeintlichen Topläufer hier mit offener Kinnlade zurückgelassen. Das ist ein Typ, der sowas wegrennt, als wäre es gar nichts. Ich spreche ihn an, wir plaudern ein bisschen und ich frage ihn, wie denn der UTMB so war. Er wäre nur Zwanzigster geworden beim CCC, sagt er. Sei ein bisschen angeschlagen gewesen, ärgerlich bei dem ganzen Training. Ich denke: Zwanzigster beim berühmtesten Rennen der Welt mit der härtesten Konkurrenz des Planeten – HOLY FUCKING SHIT. Dann gratuliere ich ihm schon einmal vorab zum Sieg und frage ihn nach einem Selfie. Als ich später auf die Ergebnisliste schaue, wundert es mich nicht, dass er den Streckenrekord in Einzelteile zerlegt hat und frage mich, wie es eigentlich möglich ist, so eine Strecke so schnell zu laufen. 50 Kilometer, mit 2.000 Metern Anstieg in einer 4:40er Pace, WIE IST DAS MÖGLICH?

Eliteläufer Pierre Emmanuel Alexandre

Nur die Harten kommen in den Garten

Wenn man so einen Lauf mitmacht, die Härte erfährt, die dieser in sich birgt, ja dann ist mir das völlig schleierhaft, ich kann es mir einfach nicht vorstellen, wie man so fit sein kann. Jedenfalls bin ich dabei, stehe in dieser Halle unter lauter Wahnsinnigen und behänge mich gerade mit dieser ganzen Ausrüstung, die man bei sowas mit sich rumschleppt: Rucksack, Stöcke, Wasserblase, Flasks, Handy, Powerbank, Rettungspfeife, ein Haufen Gedöns. Ein Haufen Zeug, das mich nervt, aber einfach normal ist in diesem Bereich. Und dann geht es auch schon los. Über Feldwege geht es gleich erst mal hoch und ich bin irgendwo im vorderen Drittel. Ich weiß ja, dass man so was langsam angeht, aber so langsam? eine Fünfdreißiger laufe ich also, was mir schon extrem langsam vorkommt. Dann geht es in den Wald und gleich richtig hoch. Ich hole die Stöcke raus, nutze diese zum ersten Mal, merke, wie der Puls hochgeht. Die Downhills ballere ich runter, wie ich das bei den bisherigen Trailwettkämpfen gelernt habe. Ich fasse mich jetzt mal kurz. Nach 30K bin ich erledigt. Bei den immer krasseren Anstiegen habe ich schon gemerkt, dass gar nichts mehr aus meinen Beinen zu holen ist. Das setzt mir so zu, dass ich selbst auf den Geraden nach den Anstiegen gehen muss. Ich überlege noch, bei K28 auf die kürzere Strecke zu wechseln, also auf die 35K Strecke. Ich mache es nicht, ein Fehler! 4K geht es noch weiter und dann bekomme ich Kreislaufprobleme, die immer schlimmer werden. Ich stehe richtig neben mir und beschließe, mich hinzusetzen. Ich entscheide hier und jetzt, aus dem Rennen zu gehen. Weitere 1.000 Höhenmeter und 20K Strecke, das schaffe ich nie im Leben in diesem Zustand. Wie lange soll das denn bitteschön dauern, noch drei, noch vier Stunden? Ich bin ja schon dreieinhalb unterwegs! Also gehe ich zurück zum letzten VP und sehe zu, wie einer nach dem anderen an mir vorbeiläuft. Meine Uhr mache ich aus und suche einen Weg über mein Handy. 10K sind es noch bis zurück in den Ort, sodass ich auf gute 40K insgesamt komme. Aber es geht nur noch geradeaus und bergab und ich gehe viel, sodass sich mein Kreislauf erholt. Dort angekommen geht es mir wieder gut und ich fahre nach Hause.

Als Marathon-Antilope unter Gnus

Bin ich traurig? Nein, es war die richtige Entscheidung! Woran lag es? Nun, die Wochen davor habe ich nicht trainiert, gar nicht. Ich dachte, mit meinem Marathontraining ein paar Wochen vorher inklusive Marathon würde ich so eine 50K in dieser “lächerlichen Pace” schon locker schaffen. Das war Fehler Nummer eins, denn so ein Lauf mit so vielen Höhenmetern ist etwas Anderes, etwas ganz Anderes. Marathonexpertise ist hier nichts wert und man muss neue, ganz eigene Erfahrung sammeln, wie man so ein Rennen einteilt und angeht. Fehler Nummer zwei: Ich ging nicht fit an den Start, sondern angeschlagen. Mir war die Tage vorher schon etwas schlecht in der Magengegend, ich hatte Kopfschmerzen. Ich habe also nicht auf meinen Körper gehört und angeschlagen läuft man so etwas nicht. Auch dann nicht, wenn man glaubt, es handele sich um ein vermeintlich leichtes Unterfangen. Aber das Wichtigste: Ich war nicht klar im Kopf, mental nicht gut eingestellt. Als ich dreieinhalb Stunden lief und merkte, dass ich viel langsamer war als gedacht, da dachte ich an meine Familie, die zu Hause war, an meine Frau mit den Kids. Ich würde ewig spät nach Hause kommen, wenn das hier so weiterginge, und anzunehmen wäre ja eine noch langsamere Pace ab jetzt. Irgendwie gab mir das den finalen Knock-Out. Ich war, ich bin noch nicht bereit für diese Art Lauf, bin von der Familienkonstellation einfach nicht frei und deswegen auch vom Kopf her nicht. Für so einen Lauf, der fünf, sechs, sieben oder acht Stunden dauert, darf man nichts vorhaben, keine Verpflichtungen haben. Niemanden, der zu Hause auf einen wartet. Sowas geht den ganzen Tag, von morgens bis abends. Hier muss man rein mit der Einstellung: Wenn es bis heute Abend um 6 dauert, okay, wenn es bis 10 Uhr dauert, auch okay. Und wenn ich auf der Strecke pennen muss, auch okay. Und genau das gibt mein Leben einfach nicht her im Moment und deshalb gab ich heute auf. Ich kam mir heute vor wie eine grazile Marathon-Antilope unter lauter brachialen Gnus, die alles nieder machen. Das nächste Mal werde ich dafür sorgen, dass rundherum alles gut geplant ist, ich Zeit habe für sowas. Ich werde mit gelaufenen Höhenmetern an den Start gehen und dann werde ich sehen, wo der Hammer hängt. In diesem Sinne, HASTA LA ULTRA, BABY!

Ma San[/Avatar]

5 Kommentare

  • Martin

    Tja, das ist wohl so. Ultras sind primär Kopfsache. Und dein Kopf war noch voller Straßenmarathons. Einfach raus damit und dann mal so ein Ding nur auf Ankommen laufen. Vielleicht einen nehmen, bei dem keine Heißkisten oder Superprofis mitrennen.

    • MaSan

      … ist ja gut, ich gebe zu ich bin ein verweichlichtes Marathon-Weichei (-; also es war jetzt wirklich nicht so, dass ich da vorne mitgegangen wäre, auf keinen Fall. Aber wahrscheinlich war das irgendwie die total falsche Strategie. Hätte wohl mit ner “Sechser” reingehen sollen. Wie dem auch sei. Was ich auf jeden Fall für mich mitgenommen habe ist, dass mir der Lauf irre Spaß gemacht hat, dass ich viele sehr nette Begegnungen hatte und so ein Wettkampf mitten in der Natur einfach verdammt geil ist. Nächstes Mal mache ich es genau so, einfach viel Zeit mitbringen, den Kopf frei machen, Spaß haben, viel gehen und irgendwie durchkommen. Liebe Grüße vom Ultra-Dilettanten (-;

  • Oliver

    So kanns kommen ohne das richtige Mindset, wirklich sehr schade dass das gleich beim ersten mal passiert ist. Der Kopf macht 80% den Rest macht der Körper, so geht Utra. Dabei ist es toll Marathonsausdauer zu haben, aber die hilft überhaupt nichts wenn du nicht hundertprozentig bei der Sache bist.
    Statt eines wilden Trails würde ich dir ja einfach mal einen 6-Stundenlauf empfehlen, da ist die Zeit klar, alle laufen zusammen Runden und vor allem bekommen Kopf und Körper Verständnis für lange Distanzen. Mir zumindest hat das enorm geholfen (auch um schmerzhafte Tiefs zu überwinden). Ich gehe Ultras jedenfalls völlig anders an als irgendwelche Sub-Marathondistanzen. Mit Freude, einem Lächeln und mit viel Geduld 🙂

    • MaSan

      Hi Oliver,

      ich bin ja so ein Typ, der Dinge irgendwie immer auf die harte Tour lernen muss. In anderen Worten: ich habe es nicht anders verdient, als mich hier mal wieder auf die Schnauze zu legen. Ich bin mal wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen und das ist gut so, denn es öffnet meinen Blick für Ultra-Runner wie dich und Martin (runomatic) und ich sehe euch in anderem Licht jetzt. Das ist etwas Gutes, etwas sehr Gutes unterm Strich. Ich habe erfahren, dass das hier auch eine ganz andere Art Rennen ist. Man plaudert, man lacht, man nimmt sich nicht so ernst, man läuft zusammen, steht das zusammen durch. Das macht etwas mit mir. Was, weiß ich noch nicht. Nur eines weiß ich. Dass es großartig ist, durch die Wälder hier zu laufen, einfach nach Lust und Laune. Liebe Grüße

  • Anna

    Deine ehrliche Reflexion über deine eigenen Grenzen und die Gründe für das vorzeitige Ausstieg runden den Bericht ab. Es ist wichtig zu erkennen, dass solche Herausforderungen nicht nur körperliche Fitness, sondern auch mentale Stärke erfordern. Deine Erkenntnisse werden sicherlich vielen Lesern helfen, ihre eigenen Laufabenteuer besser zu planen und anzugehen.

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