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A Perfect Day

Ein toller kleiner Film über die Arbeit von Entwicklungshelfern auf dem Balkan

Und wieder so ein interessanter Film aus spanischsprachiger Feder. Diesmal vom Regisseur Fernando León de Aranoa. Welch tolle Filme dieser Art habe ich doch gesehen in den die letzten Jahren. »Das Meer in mir«. Die Geschichte eines Schwerbehinderten, der sterben will. »Mein Leben ohne mich«. Eine junge Frau bekommt viel zu früh und mitten im Leben ihre Krebsdiagnose. »Biutiful« (Nein, das ist nicht falsch geschrieben, der Film heißt so) mit Javier Bardem, der sein Geld mit Flüchtlingen macht. »Wild Tales – Jeder dreht mal durch«, »Amores Perros«, »Birdman«. Außergewöhnliche Themen, brillant auf die Leinwand gezaubert, in völlig ruhiger, unaufgeregter Manier. So auch »A Perfect Day«. Eine Gruppe Entwicklungshelfer ist gegen Ende des Balkankrieges dabei, mit dem täglichen Wahnsinn dort zurecht zu kommen und die Probleme zu lösen, die so klein scheinen für uns und von so großer Tragweite für die Menschen dort, die nichts haben und von uns längst vergessen sind. Dass der Film aber furchtbar lustig ist und völlig ohne Gewalt auskommt, die nur subtil im Hintergrund dahinschwebt, aber immer präsent ist, das ist irgendwie typisch spanische Machart. Selten habe ich bei einem solch ernsten Thema so gelacht.

Aid Across Borders
Mambrú (Benicio del Toro / 21 Gramm, Sin City), von der Nichtregierungsorganisation Aid Across Borders , steht vor einem Brunnen und blickt hinunter. Dann gibt er Damir (Fedja Štukan) ein Zeichen, und dieser legt den Rückwärtsgang des Geländewagens ein. Das Seil, straff gespannt, setzt sich in Bewegung, droht aber aufgrund des Gewichts, das es da aus dem Brunnen ziehen muss, zu reisen. Dort nämlich, unten im Brunnen, hängt eine Leiche. Irgendjemand hat sie dort hinein geworfen, um das Brunnenwasser zu verseuchen. Ein Desaster für die dort lebenden, bettelarmen Menschen. Natürlich reist das Seil, und der schwere Körper fällt wieder hinab in die Tiefe. Derweil macht sich auch B (Tim Robbins), Mambrús‘ Kollege auf den Weg zu der Unglückstelle. Aus dem voll aufgedrehten Radio tönt The Velvet Underground, und mit vollem Karacho brettert er mit seiner Zottelmähne und Stirnband die staubigen Serpentinen hoch. Dort angekommen, wird beratschlagt, was zu tun ist. Wie die Leiche aus dem Brunnen bekommen, woher ein neues Seil herkriegen?

Mambrú und B
Zur gleichen Zeit stoßen mit Sophie (Mélanie Thierry) und Katya (Olga Kurylenko / Paris, je t’aime, November Man) zwei junge, idealistische junge Frauen mit frischem Enthusiasmus zu der Truppe. Bei einer Lagebesprechung eines UN-Kommandanten kommt das auch gleich zur Geltung, als Sophie sofort offensiv vorherrschende Zustände kritisiert. Doch so, das wissen Mambrú und B, läuft es hier nicht. Sie sind alte Veteranen, wissen, dass sich die Mühlen der UN nur sehr langsam drehen und sich die Dinge, wenn überhaupt, nur träge ändern. Das sieht man den beiden, und auch Damir , ihrem ortskundigen Übersetzer und Helfer auch an. Ihr Blick ist gezeichnet von Jahren der Mühsal und dem verzweifelten täglichen Kampf gegen Windmühlen. Will nicht heißen, dass sich die Männer aufgegeben haben. Im Gegenteil. Stets mit viel Witz ziehen sie sich gegenseitig auf und begegnet jeder Situation mit lustiger, stoischer Gelassenheit.

Sophie und Katja
Sophie und Katja sollen die drei nun einige Tage begleiten. Letztere wird von den Männern kritisch beäugt. Denn Katja soll im Auftrag der UN die Sinnhaftigkeit von Aid Across Borders überprüfen. Doch was die beiden Frauen in den nächsten Tagen erleben werden, ändert grundsätzlich ihre Einstellung zum Alltag der beiden Entwicklungshilfer. Das vielleicht klitzeklein anmutende Problem, ein Seil zu besorgen, das wird dem Zuschauer schnell klar, ist eine Mammutaufgabe in einer von Krieg geschundenen Region wie dem Balkan. Überall gibt es Straßensperren von finster drein schauenden Soldaten, die einem völlig beliebig die Zufahrt gewähren oder eben nicht. Straßen und Wege sind vermint, selbst kleine Kinder schwer bewaffnet und die verlassenen, zerschossenen kleinen Dörfer nur mit äußerster Vorsicht passierbar. Zu allem Überfluss behindern auch die UN Blauhelme die Arbeit der Helfer mit völlig unsinniger, unangebrachter Bürokratie. Als Sophie , die zunächst vor allem B als Freak und Rowdy ansieht, ihre erste Leiche sieht, kollabiert sie förmlich. Als ihr Einsatz, den Toten aus dem Brunnen zu ziehen, von der UN persönlich behindert wird, während Verbrecher die Situation des kontaminierten Brunnens ausnutzen und frisches Wasser für viel Geld an hilflose Menschen verkaufen, raubt ihr das fast ihren Glauben und Idealismus. Sie merkt plötzlich, welche Herausforderungen Mambrú und B. seit Jahren täglich bewältigen müssen und gewinnt zunehmend Sympathie zu ihnen.

Last Train Home, von der Machern von Up The Yangtse, beschäftigt sich mit der langen und harten

Paula Farias
Katja steht den beiden Männern allerdings skeptisch gegenüber und stellt die Mission der beiden in Frage. Mambrú und B sind für sie sind sie zwei verlorene Seelen, die schon viel zu lange hier sind und den Bezug zum realen Leben verloren hätten. Hätten sie denn niemanden, der zu Hause auf sie warte, fragt sie sie forsch und wirft ihnen damit vor, ihr Dasein in dieser verlorenen Gegend als Selbstzweck anzusehen. Die Geschichte basiert auf dem Buch Dejarse Llover der spanischen Schriftstellerin Paula Farias , die selbst im Kosovo als Entwicklungshelferin tätig war. Ein toller, sehr sehenswerter Film.

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