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Ein paar Gedanken zur Vogelgrippe

*Bild: Martin Seibel

Ich war dort – in Linum, diesem magischen Ort. Immer schon wollte ich dahin und dann war ich dort. Wenn man Zeuge von diesem Ereignis wird, wenn sich der Himmel gen Dämmerung mit Leben füllt, mit zehntausenden Schwingen, dann hinterlässt das Spuren in einem, die immer bleiben. Man ist dann ein anderer Mensch und denkt nach über die eigene Rolle in der Welt. Ja, das ist so.

Linum ist mitunter der größte Sammelpunkt in Europa für Kraniche. Majestätische, wunderschöne, erhabene Tiere von vollkommener Schönheit. Diese Reise, die sie jedes Jahr vornehmen und die von Generation zu Generation vererbt wird, sie ist ein Wunder. Und wir, die wir da unten stehen und hinaufschauen in Richtung der blutroten, herbstlichen Sonne und einem Horizont voller Schwingen, wir haben überhaupt keine Ahnung, NULL Komma NULL, von den Wundern dieser Welt. Und Wunder, sie passieren, ob wir hinschauen oder nicht, schrieb Annie Dillard, in ihrem wunderbaren Buch. Oh, Annie Dillard, eine Frau, die sehr genau hinsieht. Ich habe auch hingesehen an diesem Tag und fuhr als ein anderer Mensch zurück nach Berlin mit dem Eindruck, dass nichts, wirklich nichts GRÖSSER IST ALS DAS! Nichts ist wichtiger als DAS!

Die derzeitige Vogelgrippe ist allgegenwärtiges Thema derzeit und der Grund, warum ich das hier schreibe ist die Tatsache, dass mich die Berichterstattung darüber mit einer Wut erfüllt, die resultiert aus dem, was ich in Linum gesehen habe. Diese Kraniche dort – sie sterben in ungeheurer Zahl. Genauso wie unzählige andere Wildvögel überall in Europa. Über dieses Wunder aber wird nicht gesprochen. Kein Wort über Moral und Ethik und Wunder, kein Wort der Empathie.

Gesprochen wird über wirtschaftliche Schäden von Massentierhaltungsbetrieben. Sprechen dürfen dessen Inhaber, die heulen müssen, weil es doch so still geworden sei auf ihren Höfen. Die armen Vögel, hört man sie sagen. Als ob es einen Unterschied machen würde, ob diese Wesen – die zu dem einzigen Zweck, gegessen zu werden, leben dürfen – durch die Keule sterben oder durch die Maschinen der würdelosen Schlachthöfe, diese Orte der Hölle. Denn nichts anderes sind diese.

Diese Vogelgrippe, man spricht darüber als wäre sie ein Produkt des Zufalls, als eine Laune der Natur. Als etwas, für das man nichts kann. Die Wahrheit ist: Die Ursache dieser Pandemie – wie für alle anderen Pandemien der letzten Jahrzehnte auch – hat die Ursache in der Massentierhaltung. Jenen Maschinerien, die jegliche Ethik, Moral und Würde auf fürchterlichste Art missachten. Für die ein Leben nichts anderes ist als Gewicht und Geld. Ein Ort, der für alles Leben, dass dort lebt, die Hölle auf Erden ist. Orte, an denen Leben aus Kostengründen so nah am Tod gehalten wird, um gerade so nicht zu sterben, weil es am billigsten ist. Leben, dass nur erhalten wird durch Antibiotika, weil die Tage nur aus Dunkelheit bestehen und dem Stehen auf den eigenen Exkrementen. Und genau dort ist der Nährboden für die Viren, die dort überspringen auf andere Spezies. Das ist kein Produkt der Natur, das ist menschengemacht, absehbar und wird einfach so hingenommen, als gebe es keine Alternative dazu.

Und weil das so ist, sterben unsere Vögel in den Millionen. Und jene, die das zu verantworten haben, klagen ihr Leid. Was für eine abscheuliche, grauenhafte Ironie das doch ist. Darin liegt die Ursache, und die Konsequenzen tragen alle. Wir alle und allen voran die Vögel da draußen, die sterben müssen. Und wofür?

Weil wir Fleisch essen wollen! Nur deshalb! Es gibt, im 21.Jahrhundert erst recht nicht, keinen Grund, Fleisch zu essen. Wofür denn? Wo ist der Sinn? Ist der Geschmack es werd, all diesen Horror, all diese Zerstörung einfach so in Kauf zu nehmen. Die Konsequenzen sind so immens, so gravierend, dass ich das einfach nicht verstehen kann. Wenige Bücher haben mich so inspiriert wie TIERE ESSEN und aus allen Richtungen sind Informationen und Inspirationen verfügbar, die überzeugend darlegen, dass das, was wir hier machen, einfach falsch ist. Nicht nur falsch, es ist WAHNSINN! Und dennoch tun wir es. Und indem wir das tun machen wir uns schuldig an dem, was da draußen passiert und was Jonathan Safran Foer völlig zurecht als Vernichtungsfeldzug gegen die Natur bezeichnet. Denn das ist es, was da draußen passiert.

Und bei alldem, all dieser Zerstörung hört man kein Wort der Empathie, kein Wort über dieses Wunder, DIE Wunder, die passieren. Und wir sehen nicht hin. Ich denke an Linum, an diese Magie jenes Tages, und sie ist lebendig bis zum heutigen Tag. Der Himmel ist leer. Und dann, als die Sonne gen Horizont wandert, tauchen die Kraniche auf, mitten aus dem nichts, zu zehntausenden. Wer das sieht, ist ein anderer Mensch. Und es bricht mir das Herz, wenn ich daran denke, dass wir diese Wunder nicht mit aller Kraft und Macht schützen.

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