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Road to Köln #8 – Es gibt Tage und es gibt Tage

„Failure is not the opposite of success, it‘s part of it.“ (Karamo Brown)

Es ein Fehler, mit Rucksack, Zelt und Isomatte anzureisen. Erst musste ich nach Norden auf die Messe zur Abholung der Startunterlagen, dann ganz in den Süden verbunden mit einem längeren Fußweg zum Campingplatz. Ich habe das so gewählt, weil ich nicht bereit war, mehrere hundert Euro für eine Übernachtung am Marathonwochenende in Köln hinzulegen. Gleichermaßen ärgere ich mich jetzt, dass mich das ganze Prozedere so überraschte, obwohl es doch eigentlich klar war. Ich hätte mir die Unterlagen auch zuschicken lassen können, habe ich aber nicht gemacht. Und so wurde das Ganze zur Tortour. Mich stört dieses ganze Drumherum um die Marathons zunehmend. Diese Messe war furchtbar und unterschied sich kaum von einer Shoppingmall. Man wurde durchgeführt wie durch einen Flughafen, bei denen es ja heutzutage nicht mehr darauf ankommt, schnell einzuchecken, sondern den Besucher an möglichst vielen Geschäften vorbeizuführen. Überall Gedränge, überall Gespräche über diese und jene Neuheiten. Als ich endlich die Startnummer in der Hand hatte, verließ ich das Gelände schnellstmöglich. Warum habe ich mir die Nummer nicht zuschicken lassen? Ein Fehler!

Nicht falsch verstehen. Ich mag den Marathon, ich mag das Rennen, aber ich mag nicht den Konsum, den Kommerz, das Bohei drumherum. Am Campingplatz angekommen fühlte ich mich wohl, hatte Platz, Raum zum Atmen und war irgendwie unter „meinen Leuten“. Ich baute meinen Gaskocher auf und kochte Pasta mit Tomatensauce, während große Schiffe den Rhein entlangtuckerten und hupten. Das Wetter war mies, es regnete, wurde zunehmend windig und die Nacht wurde dann so „semi“. Zwar lag ich bereits um neun flach auf der Isomatte, doch einfach nicht komfortabel. Das hier war nicht der Trail du Grand Ballon, sondern ein Marathon. Irgendwie passte das, was ich da machte, nicht so ganz. Und während der Wind gegen das Zelt prasselte und der Wind tobte, schlief ich ein. Als um sechs Uhr der Wecker klingelte, fühlte ich mich nicht erholt, eher kaputt. Über den Rhein hinweg lief ich zur Straßenbahn, stieg ein und befand mich – Station zu Station zunehmend – in einer Läuferbahn.

“Ohne Misserfolge zu leben ist unmöglich. Es sei denn, du lebst so vorsichtig, dass du genauso gut gar nicht gelebt haben könntest – was einem totalen Scheitern gleichkommt.” (J. K. Rowling)

Nach Frankfurt letztes Jahr, wo ich mit einer 3:03 Bestzeit lief, wollte ich eigentlich die ganze Sache mit der Anreise verbessern, weil das einfach Körner kostet. Dieses Mal ging ich extra einen Tag vorher hin und ärgerte mich jetzt, dass ich das alles wieder unterschätzte. Die ganze Rumrennerei, die vielleicht nicht optimale Isomatte. Ich denke, das hat mich ein paar, aber vielleicht entscheidende Körner gekostet. Dennoch – ich war gesund nach einem schlechten Gefühl die Woche über und stand an der Startline an diesem Morgen bei kaltem Wetter und Regen. Und ich wollte das durchziehen.

Was passierte war im Prinzip die Realität dieser subtilen Vorahnung in mir. Es lief gut bis K35 und dann fing es an. Mein Magen tat auf einmal weh und ich hielt an einem Dixie an, wo mich der Brechreiz überkam. Der kam, aber übergeben musste ich mich nicht. Diesbezüglich ging es mir besser. Ich ging wieder raus, fing an zu traben und auf einmal spürte ich jeden Muskel einzeln in den Streik gehen. Dieses kurze Loslassen für eine Minute löste die ganze Anspannung aus dem Körper. Es war unheimlich schwer wieder Fahrt aufzunehmen und permanent achtete ich auf den Magen und fühlte mich schlecht. Und dann kam das, was kommt, wenn man nicht ganz bei der Sache ist. Ich gab dem Gefühl nach, diesem Verlangen des Körpers, zu gehen. Das Ziel jetzt unerreichbar, gab ich den Kampf auf. Mit 3:14 ging ich über die Linie, dennoch mit einem Lachen in den Augen. Denn ich finde, man, oder besser gesagt ich, sollte das nicht so verbissen sehen. Eine 3:14 ist nicht nichts, sondern platziert mich solide in den vorderen 10 Prozent dieses Laufs. Und ich bin auch keine zwanzig mehr, und auch keine dreißig. Auch das Training kann man kritisch hinterfragen. Die Key-Sessions waren zwar gut, teilweise super. Aber das Pensum war zu niedrig. Und auch wenn ich gewollt hätte, mehr ging nicht in Verbindung mit Beruf in Familie, einfach unmöglich. Und ja, Kraft hat auch gefehlt und auch das ist eine Stellschraube, an die ich mal ran kann. Kann, nicht muss. Denn – am Ende muss das alles Spaß machen, nicht wahr? Und es gibt noch ein Haufen andere Sachen, auf die ich richtig Bock habe und die auch mal nichts zu tun haben mit einer Zielzeit. Der UTMB GRAND EST zum Beispiel, den ich nächstes Jahr angehe, bei dem die Zeit völlig nachrangig ist. Und ja, da muss man auch mal so ehrlich sein und sagen können, dass bei diesem Training halt einfach nicht mehr drin war, ganz einfach.

So versuche ich das zu sehen, so muss dann das sehen. Marathon Nummer zehn war das und hey, es war nicht der schnellste. Weißt du was – fuck it! Es gibt Tage und es gibt Tage, hat mir mal ein ganz toller Mensch gesagt. So ist es doch im ganzen Leben, nicht wahr! Ich nehme es, wie es kommt! Und – ich mache das Beste draus. Vielleicht gelingt es mir ja, die noch bestehende Form zu nutzen und ein bisschen was auf Kurzdistanzen zu reißen. Und im Hinterkopf habe ich eventuell sogar noch einen zweiten Marathonversuch noch dieses Jahr. Warum nicht!

4 Kommentare

  • Oliver

    Es hätte dein schnellster Marathon werden können, aber leider hats diesmal auf den letzten Kilometern nicht geklappt. Dein Rückblick bringt vermutlich schon alles auf den Tisch, da muss niemand mehr in Details rumbohren. Meistens klappts eben genau dann nicht, wenn man meint am besten vorbereitet zu sein (deshalb mache ich überhaupt keine spezifische Vorbereitung mehr).
    Sehr erfreulich ist dieser eine kleine Satz von dir: “Denn – am Ende muss das alles Spaß machen”. Genau. Wir sind zwar ambitionierte Breitensportler (du weitaus ambitionierter als ich), aber es muss immer Spaß machen die selbstgesteckten Ziele erreichen zu wollen. Bei dir bin ich mir übrigens absolut sicher, dass du die Sub3 noch erreichst 😉
    Und ja, 3:14 ist auch schon ne Hammer-Zeit. Also herzlichen Glückwunsch zu deinem 10. Marathon 🙂

    • MaSan

      Hi Oliver,

      schön von dir zu hören! Nachdem ich jetzt langsam erholt bin und das Ganze der Vergangenheit angehört, habe ich meinen Frieden geschlossen mit dem Lauf. Für ich geht es jetzt erst Mal zwei Wochen in den Urlaub und ich nehme mal vorsichtshalber meine Laufschuhe mit (-; Ich freue mich dieses Jahr noch auf das ein- oder andere Läufchen und wage vielleicht noch einen ziemlich ungewöhnlich zweiten Anlauf auf den Marathon Ende November, also nur vielleicht. Es gibt da einen auf dem Hockenheimring, was nicht weit weg ist von hier. Diese Rundendreherei ist zwar bestimmt nicht so leicht, aber hey warum nicht (-; . Was hast du noch vor in der nächste Zeit?

      Gruß aus der Pfalz
      Martin

  • Talianna

    Hallo Martin,

    mit Verzögerung lese ich nun Deinen Bericht. Ich möchte gar nicht in die Details gehen… sondern vielleicht ein bisschen auf einer anderen Ebene bleiben, bei dem, was ich schreibe:

    Die Kommerzialisierung und Vermassung von Marathons ist es, die mich ebenfalls zunehmend abstößt. Warum nicht Berlin, warum nicht eine Marathonreise, hat man mich oft gefragt. Stimmung ist geil, und so weiter. Du weißt, wo ich laufe – Karlsruhe und Kandel. Selbst in Karlsruhe habe ich mir die Startnummer zuschicken lassen, musste aber doch am Vortag hin, um Eigenverpflegung abzuholen. Meine Schlussfolgerung aus meinem – in den Details der Gründe etwas anderen, aber eben doch nicht so unähnlichen (und weit teurer aufgezogenen) Waterloo in Regensburg war: Laufe nahe, kleine Marathons. Mal wenig Leute an der Strecke? Egal, dafür ein netter, familiärer Verein im Ziel, mit viel Liebe und nicht so vielen Leuten. Meine Laufbuddies an und auf der Strecke. Geringere Fallhöhe, weniger Leute, weniger oder besser umgehbare Marathonmessen. Kürzere Anreise!

    Als ich gerade eben erst von Camping, vom Gaskocher und so weiter gelesen habe: “Oh, schmeißt der Martin das mit einem Trail durcheinander?” Und dann schriebst Du es selbst. Ja, das ist der Punkt – Marathon ist “hochgradiger verarbeitet” als Trail-Ultras, und es ist vielleicht besser, die glitzerige Verpackung zu umgehen, um als zunehmend von Trubel und Kommerzialisierung abgestoßener Mensch den hoch verarbeiteten Inhalt noch tolerieren zu können.

    Es ist ein Ding, Deiner in Köln war auch der Zehnte – für mich war Karlsruhe dieses Jahr der Zehnte. Marathonview weist bei Dir nur sechs aus, also werden nun wohl doch nicht alle Marathons mit Ergebnisliste dort erfasst.

    Jedenfalls würde ich behaupten, dass Du mit dem, was Du an Erkenntnissen aus der Vorbereitung, der Drumherum-Durchführung und dem Marathon selbst in Köln gelernt und erkannt hast, echt glauben, dass daraus ein ähnlicher Boost wie für mich in Regensburg resultieren könnte – den Du aber recht sicher eher auf die Trails als auf einen Straßenmarathon bringen wirst. Da bist Du schon weit länger, als ich das erkannt habe, eher derjenige für, als ich das vielleicht je sein werde. Ich bin schon ziemlich zuhause auf dem Straßenmarathon und vor allem bei den kleinen Fünfern, Zehnern und Fünfzehnern der Vereine.

    “Es gibt Tage und es gibt Tage”… das könnte von mir sein. Ich habe das auch schon zu Leuten so gesagt… klingt auch’n bisschen nach meiner Mama.

    Vielleicht sieht man sich in Rheinzabern oder Kandel?

    Ganz viele und liebe Grüße aus Baden
    Talianna

    • MaSan

      Liebe Talianna,

      es wäre schön wenn man sich sieht in Rheinzabern. Ich habe fest vor dabei zu sein, vorausgesetzt ich bin gesund. Wir können ja kurz vorher über Strava was ausmachen wenn du willst, aber ich denke man sieht sich so oder so dort. Ich habe heute einen Mietwagen in Ettlingen abgeben und bin über Karlsruhe nach Landau gelaufen – wurde die Marathondistanz. Musste da an dich denken, weil ich dachte, die Talianna hat den ein- oder anderen Weg hier bestimmt schon mit ihrem Ras abgeklappert, SAVE!

      Der Lauf war im Prinzip der Auftakt für Hockenheim. Ich weiß noch nicht ob ich ich es nochmal versuche, aber irgendwie hatte ich Lust auf einen langen Lauf heute und wenn die Lust bleibt, ja vielleicht gehe ich es nochmal an, mal sehen.

      Die zehn Marathons beinhalten 3 private, also allein gelaufene Marathons. Ich zähle diese dazu (auch auf der Unterseite Bestzeiten), aber das kann man natürlich so oder so sehen. So gesehen war das heute mein Elfter (-; . Ansonsten waren es 7 offizielle… Berlin / Athen / Hamburg / Spreewald / Deutsche Weinstraße / Frankfurt / Köln. Wahrscheinlich ist der Spreewald nicht dabei?

      Ja, Köln war rückblickend nicht logisch, wirklich überhaupt nicht. Und ja, das wird Konsequenzen haben auf das WIE, also wie ich künftig plane und was ich mache, ganz sicher. Ich hätte das wissen können oder müssen. Als ich mal in Hamburg lief sagte ich mir, das ich das nächste mal einen kleinen Lauf machen würde. Und das machte ich auch und lief im Spreewald in die Top 10. Das war ein super, super Lauf! Aber manche Dinge lerne ich erst im zweiten Anlauf und vielleicht hat es Köln gebraucht. Wie gesagt, vielleicht wird es Hockenheim im November. Das ist zwar irgendwie seltsam finde ich (also die ganze Veranstaltung), aber irgendwie witzig, klein, nicht weit weg und ich denke man trifft da ganz sicher verrückte Leute (-;

      Den einen Satz hat mir einmal, bzw. einer kleinen Reisegruppe, ein peruanischer Reiseführer gesagt, ein Quechua, der uns über eine Woche auf den Macchu Pichu führte. Als wir dort ankamen, sah man gar nichts, alles bewölkt. Dann sagte er das, verabschiedete sich mit einem Lächeln und verschwand, die nächste Reisegruppe wartete schon. Dieser Satz beeindruckte mich, weil es für ihn ohne Belang war, wie das Wetter war. Für ihn war das Leben hart, das Leben als Bergführer ist hart in einem Land wie diesem. über die Probleme von Westlern, die vielleicht heute keine Postkartenmotive werden schießen können, konnte er sicherlich nur lachen. Es gibt Tage und es gibt Tage, und heute war eben so ein Tage und den musste man halt nehmen wie er war. Es war nicht viel los an diesem Tag dort, wegen den Wolken eben. Wir blieben da, weil wir eine Woche dort hinliefen, Wetter hin oder her. Und dann riss der Himmel auf, die Sonne schien und wir waren alleine da. Geblieben sind wir nur, weil wir so lange und beschwerlich dorthin liefen. Das war unser Ziel, Wetter hin oder her. Die Leute, die bequem per Bahn direkt dorthin reisten, reisten wieder ab. Der Unterschied lag in der Art und Weise, wie wir uns – und die – diesem Ort annäherten.

      Das Gleiche passierte mir mal in Irland. Dort bin ich mit drei Jungs den Connemara Loop geradelt mit dem Sie Cliffs of Moher. Wir kamen dort an bei Sintflut, es war dort nichts los. Man gewährte und freien Eintritt, weil wir mit Rädern dort ankamen. Man sagt uns aber auch, das wir nichts würden sehen können heute. Das war uns aber völlig egal, weil das das Ziel unserer Reise war, für uns als Gruppe. Und ich sage dir. Wir stehen da und der Himmel reist auf, mit und alleine ganz obern auf diesen majestätischen Klippen. Das werde ich nie vergessen!

      Liebe Grüße

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