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Peter Wohlleben – Das geheime Leben der Bäume (Buchrezension, Teil II)

Fortsetzung der Buchrezension von Peter Wohllebens faszinierendem Buch “Das Leben der Bäume”. Hier gehts zum ersten Teil.

Bäume können sprechen?
Manches, was Wohlleben da sagt, kann man fast gar nicht glauben, und so hinterlegt er gesagtes des Öfteren auch gleich mit einem wissenschaftlichen Beweis. Zum Beispiel kommunizieren die Bäume auf komplexe Art und Weise miteinander. Wohlleben beschreibt dies am Beispiel einer Schirmakazie in Afrika. Wird diese von Giraffen angeknabbert, erzeugt sie Giftstoffe in ihren Blättern, um den Fressfeinden den Appetit zu verderben. Zugleich warnt sie aber auch gleich ihre Kollegen über Duftstoffe, die nun ebenfalls gleiche Giftstoffe produzieren. Auch gilt es als bewiesen, dass Bäume über Laute kommunizieren, was man im Labor sogar hören kann. Des Weiteren fände eine rege Kommunikation über die Wurzeln statt. Diese sind ein unterirdisches Netzwerk zum Austausch von nicht nur Nährstoffen, sondern auch Informationen. Gerne werden dafür auch Pilze zwischen geschaltet, deren winzige Wurzeln sich über viele Quadratkilometer ausdehnen können. Hier werden Informationen über Schädlinge von einem Baum zum anderen geschickt. Zum Beispiel, um Giftstoffe gegen diesen oder jenen Käfer schon einmal im Voraus zu produzieren. Pilze, so Wohlleben, seien das „Internet des Waldes“

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Bild: Domeckopol, Pixabay

CO² Speicher
Wohlleben untermalt, warum der Wald eine so bedeutende Rolle in unserer Welt spielt. Der Wald sei eine gewaltige Wasserpumpe, sagt er. Pro m² Wald gebe es fast 30 m² Blätter, so dass ein km² Wald letztlich stolze 2.500 m³ Wasser verdunste, welches dann als Wolken weiterzieht und erneut abregnet. So entstehe ein Kreislauf, ein Transport des Wassers ins Landesinnere. Auch als CO² Speicher habe der Wald eine immense Bedeutung. Durch die Photosynthese wird der für das Wachstum gebrauchte Kohlenwasserstoff produziert und dafür CO² in den Stamm eingelagert. Bis zu zwanzig Tonnen kann ein Baum im Laufe seines Lebens speichern. Eine falsche Annahme, die Wohlleben korrigiert, ist jene, dass dieses CO² wieder freigesetzt wird, sobald der Baum stirbt. Dem ist nicht so. Der tote Baum versinkt langsam im Boden, wird zu Humus und das CO² deshalb nicht freigesetzt, sondern irgendwann als Kohle für immer gespeichert. Das spricht sehr dafür, den Wald einfach in Ruhe zu lassen und umgefallene Bäume doch bitte liegen zu lassen.

Pilgrim at Tinker Creek von der Pritzkerpreisträgerin Annie Dillard ist ein ungewöhnlicher Streifzug durch die Natur einer Beobachterin, die genau hinsieht. “Dinge passieren, ob wir hinsehen oder nicht!”

Der Baum, missverstanden?
Nicht nur in Bezug auf CO² gibt es Missverständnisse. Der Forst lehre zum Beispiel, dass junge Bäume schneller wachsen würden, damit leistungsfähiger seien und folgert daraus, dass die Wuchskraft mit 120 Jahren erschöpft sei und die Wälder in der Weiterfolge verjüngt werden sollten. Das sei völlig verkehrt, so Wohlleben. Würde man den Wald entdichten, mache man zum einen die verbliebenen Bäume zu Einsiedlern, die die Vorteile der Gemeinschaft nicht genießen würden (siehe das bereits erwähnte Beispiel mit dem Baumstumpf). Dies habe man auch schon im Mittelalter gemacht mit der Folge, dass fast alle bestehenden Wälder in Deutschland heute von Menschenhand verändert sind. Dadurch würden essentielle Kleinstlebewesen fehlen, die für das Ökosystem enorm wichtig seien. Wolle man wieder in den Genuss von Urwäldern kommen, seien diese Lebewesen unabdingbar und ein Schlüssel dazu sei ganz einfach, die Finger weg zu lassen und dem Wald Zeit zu lassen, wieder zu einer Gemeinschaft zu werden. Des Weiteren ließe sich nachweisen, dass die Leistung eines älteren Baums sogar steige, die Meinung der Förster also keinesfalls stimme. Der Wald sei produktiver, wenn Bäume dicht zusammen ständen.

Dass schnelles wachsen nicht positiv ist, untermalt Wohlleben mit dem Baumnachwuchs. Nur 3% des Lichtes erreiche den Boden, was nichts weniger sei als eine Erziehungsmaßnahme für die Baumkinder. Wachsen diese nämlich langsam, haben die Zellen weniger Luft und der ausgewachsene Baum ist demnach auch stabiler. Zudem geht der Baum mit Vorräten wie Wasser sparsamer um und bildet auch keine Äste im unteren Baumdrittel, was sehr gefährlich sein kann. Nämlich wenn der Ast abstirbt und Pilze in die Wunde eindringen. Überhaupt ist der Umgang mit dem Baumnachwuchs ein Phänomen an sich. Ist es nicht sagenhaft, dass von fast 2 Millionen Buchäckersamen es nur ein einziger schafft, zu einem ausgewachsenen Baum zu werden? Um die Erfolgsquote zu erhöhen, haben sich Bäume zu dem noch mehr einfallen lassen. Sie machen es dem Wild schwer, sich auf die Samen einzustellen, indem sie den Nachwuchs unregelmäßig und wenn, dann alle auf einmal abwerfen. Das alles erhöht die Chancen für den Nachwuchs.

Peter Wohllebens Buch ist voller weiterer Erkenntnisse, die einen staunend zurücklassen und uns lehrt, unsere Wälder beim nächsten Spaziergang ins Grüne mit anderen Augen zu sehen.

Lesenswert: Lesen Sie doch meinen Artikel zum Buch „Pilgrim at Tinker Creek“ von Annie Dillard. Ein fantastisches Buch, das zu Gedanken über unsere Natur anregt.

Ma San

5 Kommentare

  • Jürgen Friedrich

    Wer googelt mit ‘Wasserökonomiequotient’, findet u. U. zur Angabe, wie viel Wasser ein Baum verdunsten muss, um Trockenmasse zu produzieren. Nach Umrechnen von Gramm in Tonnen ergibt sich für die Eiche 345 Tonnen, für die Buche 169 Tonnen Wasser für jeweils 1 Tonne Holz.

      • Jürgen Friedrich

        Das ist (nur) richtig, wenn man die angegebenen Mengen vergleicht. Leider ist in der zu googelnden Statistik nicht ersichtlich, wie viel Zeit Buche und Eiche benötigen. Aber mit Rücksicht auf die Verdunstungs-“Mechanik”, die nicht von der Pflanze, sondern von der Meteorologie aus Temperatur und relativer Luftfeuchte abhängig ist, verdunsten beide Bäume gleich viel in gleicher Zeit. Nur wächst die Buche doppelt so schnell.

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