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Boyhood (Kindheit)

Regisseur Richard Linklater lässt uns in seinem Film noch einmal erwachsen werden

Richard Linklater, den viele spätestens durch den Erfolg von Before Surise und Before Sunset kennen, zaubert mit Boyhood (dt. Titel: Kindheit) einen bewegenden und ungewöhnlichen Film auf die Leinwand. Ungewöhnlich deshalb, weil die Dreharbeiten über 12 Jahre andauern uns das Aufwachsen des Jungen Mason sowie seiner Familie sozusagen in Echtzeit mit ein- und denselben Darstellern gezeigt wird. Diese tragen zudem mit selbst geschriebenen Dialogen selbst zur Geschichte bei, welche erst im Laufe der Jahre in sich zusammenwächst. Dass er mit diesem Werk den silbernen Bären für die beste Regie auf der Berlinale abstaubt, überrascht keinen, der den Film gesehen hat.

Video: Deutscher Filmtrailer

Das Besondere
Worin liegt das Besondere in diesem Film, der das Leben eines ganz normalen Jungen zeigt, der irgendwo in Texas mit seiner Mutter und Schwester aufwächst? Vielleicht weil das Leben so einfach und gleichzeitig wahnsinnig kompliziert ist. Weil feine Nuancen im Leben eines Menschen die Bahn formen, in der er seinen Weg weitergeht. Weil Schicksalsschläge und Glück Seiten ein- und derselben Medaille sind, die wir immer mit uns herumtragen. Und weil genau das in diesem Film vermittelt wird, manchmal beim Namen genannt, manchmal zwischen den Zeilen schwebend, aber immer ganz klar. Und auch deshalb, weil man sich vielleicht wiedererkennt in seiner Jugend, die viel zu schnell vorbei ging.

Kindheit
Mason Junior wächst mit seiner Schwester Samantha und Mutter Olivia in einem kleinen Ort in Texas auf. Während sich Samantha im Mittelpunkt am wohlsten fühlt, ist Mason eher von verschlossener, ruhigerer Natur. Er ist ein Träumer, der in der Schule weniger durch seine Leistungen auffällt als vielmehr durch das Herausstarren aus dem Fenster. Alleinerziehend und finanziell in der Zwickmühle, möchte Olivia ein Psychologiestudium in Houston beginnen, wofür ein Umzug notwendig wird. Dies stößt bei den Kindern überhaupt nicht auf Zustimmung. Was soll aus den Freunden werden, und überhaupt, so fragt Mason, wie könne man ihren Vater denn finden in der Großstadt? Es sind diese Art von Fragen, die eben nur Kinder stellen können. Der Abschied fällt schwer, doch in Houston kann sich Olivia ganz ihrem Studium widmen, während ihre Mutter auf die Kinder aufpasst. Hier taucht zum ersten Mal Vater Mason Senior auf, der die Kinder abholt und ausführt. Voller Enthusiasmus erscheint er in seinem alten Sportwagen und man merkt gleich. Er ist das Gegenteil von Olivia. Sie hat die Kinder großgezogen und er nicht. Obwohl er sie nur ausführen will, stecken die Köpfe der kleinen voll der großen Fragen, von denen er nicht ablenken kann. Wo er gewesen wäre die ganze Zeit, ob er wieder mit Mama zusammen ziehe, ob er einen Job hätte. Mason Senior hat einen Draht zu seinem Sohn, den sonst niemand hat. Er interessiert sich für seine Knochensammlung, weiß ihn aufzuheitern, hat diese bestimmte Ebene zu ihm, in der Mason Junior aus sich herausgehen kann. Auf der einen Seite chaotisch, wirkt der Vater zutiefst liebevoll und fürsorglich. Als er die Kinder entgegen der Vereinbarung bis zur Haustür bringt, erntet er den Ärger Olivias, seiner Exfrau. Das Ganze wird natürlich von den Kindern beobachtet, die viel mehr wissen, als die Eltern denken. Sie wissen, zwischen Mama und Papa, das wird nichts mehr.

Video: Regisseur Richard Linklater über seinen Film

Die große Stadt
Indessen versucht Mason in der neuen Klasse in der Großstadt anzukommen, trotzt in seiner rührenden Art den Blicken der ganzen Klasse. Olivia verliebt sich in ihren Professor, den sie, hier lässt der Regisseur die Darsteller altern, heiratet und mit ihm und dessen zwei Kindern zusammenzieht. Dieser entpuppt sich, wieder vergehen die Jahre, mit der Zeit als Alkoholiker und als gewalttätig, so dass auch diese Beziehung Olivias zum Scheitern verurteilt ist. Als er mal wieder alles an den Kindern auslässt und Mason zum Rasieren seiner langen Haare zwingt, entgegnet dieser seiner Mutter, wie sie solch einen Menschen nur heiraten könne, der ihm gegen seinen Willen die Harre abschneiden lässt. Olivia hat dem nichts zu entgegnen, weil sie eine solche Klarheit von ihrem Jungen nicht erwartet. Kurz darauf flüchtet Olivia mit ihren Kindern, kommt bei Freunden unter und findet sich wieder einmal in einer Zwickmühle. Ohne Geld, ohne Bleibe.

Mason wird erwachsen
Doch der Vater lässt sie nicht im Stich. Er liebt seine Kinder, mittlerweile Teenager. Ihm öffnet sich sein Sohn und bringt all seine Gedanken zu Vorschein. Olivia beendet derweil ihr Studium und wieder erfolgt ein Zeitsprung. Für ihren neuen Job ziehen sie erneut um, und wieder steht ein Schulwechsel an. Mason wird zunächst gemobbt, doch schafft es durch seine Einzelgängerische, wunderbare Art, jeglichen Widerstand gegen ihn zu zerbrechen. Olivia verliebt sich wieder, und wieder in den Falschen. In einen Exsoldaten, der sich wiederum als Trinker offenbart und keinen guten Draht zu Mason hat, diesen ungewöhnlichen, stillen jungen Menschen. Dieser steht nun kurz vor dem Sprung ins Collage und begegnet seiner ersten großen Liebe Sheena. Seine Schweigsamkeit löst sich in ihrer Nähe und sein Charakter bildet sich immer mehr heraus. Man kann wahrlich miterleben, wie aus dem stillen Wasser ein lebensbejahender, kreativer Mensch wird. Er entwickelt eine Liebe zur Fotografie und geht so darin auf, dass er einen Landeswettbewerb gewinnt.

Was bleibt jetzt noch?
Olivia, wieder getrennt, entfliehen ihre Kinder, nun junge Erwachsene geworden, aus dem Haus, um ihr eigenes Leben zu beginnen. Eine tolle Szene ist das, als die Mutter zu Mason sagt, mit Tränen in den Augen. Habe sie nicht alles getan, alles erreicht, in dem sie ihre Kinder großgezogen hat. Nun fliegen diese davon, und was bleibe ihr nun noch, außer der eigenen Beerdigung. Mason entgegnet ihr lächelnd, ob sie nicht 40 Jahre überspringe. An der Uni offenbart sich Mason ein neues Leben, die Fotografie, und ein neues Leben. Boyhood ist ein wunderbarer Film, der uns alle noch einmal erfahren lässt, wie es ist, Kind zu sein. Absolut empfehlenswert.

 

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