Peru,  Südamerika,  unterwegs

Unterwegs im Amazonasgebiet

Von sprechenden Aras, kessen Ameisen und Bäumen, die laufen können

Peru: Wenn der Regenwald des Abends zum Leben erwacht, stimmen Myriaden von Insekten zum größten Orchester der Welt an. In den Gesang steigen Vögel mit ein, Affen, und tausende andere Tiere, deren Namen ich wahrscheinlich noch nie gehört habe. Ich stehe auf einem aus Holz gebauten Turm mitten im Dschungel, schaue über die Baumkronen hinweg, die der von der anbrechenden Dunkelheit feuerrot gefärbte Himmel förmlich zu entzünden droht. Ich weiß nicht warum, doch ich denke an das Meer, vielleicht, weil das unendliche Grün auf mich wirkt wie die Weiten des Ozeans, endlos. So, wie ich am Strand sitze und mir die Wellen anschaue – eine nach der anderen – und dessen nicht müde werde, betrachte ich diese Welt der Bäume. Dieser Anblick, diese Geräuschkulisse erfüllen mich bis ins Mark mit Ehrfurcht.

Anmerkung:
Dies ist der zweite Teil einer Peru-Reise. Der erste Teil, Oh Peru, hatte bereits eine viertägige Wanderung von Cusco, der alten Hauptstadt der Inka, quer durch die Weiten der Anden bis zum sagenumwobenen Machu Picchu zum Thema. Im dritten Teil wandern wir durch die höchste Gebirgskette Südamerikas, die Cordillera Blanca.

Karte: Vom Hochgebirge ins Amazonastiefland

Von den Anden in die Tropen
Am Tag zuvor befanden wir uns noch mit unseren Winterjacken in 3.400 m Höhe. Der Nachtbus brachte uns aus Cusco hinaus, durch die ganz düsteren Außenviertel, wo sich Bordelle aneinanderreihen und dunkle Gestalten verkehren, aus den Klauen der Stadt hinaus auf den Trans Oceanic Highway , jene 2011 fertiggestellte Straße, die die Pazifikküste Perus mit der Atlantikküste Brasiliens verbindet und die einst mehrtägige Reise von Cusco nach Puerto Maldonado nun in knapp zehn Stunden möglich macht. Irgendwann inmitten der Nacht, als sich der Bus quietschend die Serpentinen der letzten Ausläufer der Anden zwischen schneebedeckten Gipfeln durchquält, um kurz darauf durch die Nebelregenwälder Richtung Amazonastiefland zu fahren, fallen mir die Augen zu. Als ich sie wieder aufschlage, befinde ich mich in einer Welt der Tropen.

Straßenszene in Puerto Maldonado
Puerto Maldonado (Bild: MaSan/Martin Seibel)

Das Amazonasgebiet von Peru
Das Großartige an Peru als Reiseziel ist, dass man neben wunderschönen Kolonialstätten, spektakulären archäologischen Sehenswürdigkeiten wie das berühmte Machu Picchu , einem reichen kulturellen Erbe auch alle Facetten der Natur Südamerikas erleben kann. Trockene Wüsten in Nasca , die mächtigen Gipfel den Anden, und eben auch das Amazonasgebiet. Etwa 60% des Landes sind grün, mit tropischen Regionen im Osten nur knapp über dem Meeresspiegel. Peru hat den höchsten Bestand an Primärurwald, von Menschen völlig unangetasteter Wald, in ganz Südamerika. Der Reisende muss sich nur entscheiden, welchen der vielen hervorragenden Ausgangspunkte er für seine Dschungelexpedition wählen will. Die unumstritten beste Destination ist der Manu Nationalpark, einer der schönsten und artenreichsten der Welt, die Arche Noah des Regenwaldes. 1973 gegründet, Unesco Weltkulturerbe , widmet sich dieser Park der Erhaltung der tropischen Tier- und Pflanzenwelt. Die Kernzone, in der Indianerstämme ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt leben, darf überhaupt nicht betreten werden, während in etwa 10%, der sogenannten Zona Reservada, eingeschränkter Tourismus erlaubt ist. Da eine Anreise über weite Strecken nur mit dem Boot möglich ist, gestaltet sich ein Aufenthalt dort aber auch sehr teuer und zeitintensiv. Wer weniger Zeit und Geld mitbringt, braucht aber keinesfalls auf einen Besuch des Dschungels zu verzichten, denn es gibt eine hervorragende Alternative.

Hausfassade in Puerto Maldonado
Puerto Maldonado (Bild: MaSan/Martin Seibel)

Puerto Maldonado
Puerto Maldonado – die letzte Stadt. Weiter geht es nicht mehr, jedenfalls nicht mit dem Auto. Mit dem Boot könnte man auf dem Madre de Dios , der Mutter Gottes , der sich immer schlängelnd durch die grüne Unendlichkeit seinen Weg bahnt, nach Nord-Osten fahren. Über die Grenze Perus hinaus durch Bolivien. An der Grenze zu Brasilien würde er sich teilen, um unter dem Namen Madeira weiterzufließen. Später würde er sich im Herzen dieses größten Landes des Kontinents mit dem Rio Amazonas vereinen, um dann, und erst dann, in den Fluten des atlantischen Ozeans sein Ende zu finden. Nur zu gerne würde ich mich auf einem Boot einfach treiben lassen, den ganzen langen Weg. Und das Einzige, was ich sehen würde, wären das braune Wasser und Bäume, nichts als Bäume. Allerdings lässt mein Zeitrahmen dies nicht zu, denn wir haben nur eine Woche Zeit für das Amazonasgebiet.

Mit dem Boot auf dem Fluss Madre del Dios
Auf dem Weg in den Dschungel…(Bild: MaSan/Martin Seibel)

Der Lonely Planet ist auch für Peru der ideale Wegbegleiter – Wie immer mit Fokus auf Informationen statt auf Bildern

Zugang zur Dschungelwelt
Deswegen sind wir hier, in dieser Stadt. Denn Puerto Maldonado, 55 Kilometer von der Grenze Boliviens entfernt, ist einer der leicht zugänglichsten Zugangspunkte in die Dschungelwelt im ganzen Amazonasgebiet. Hier, wo sich der Rio Tambopata und der Madre de Dios treffen, hört, wenn man so will, die Zivilisation auf und die Wildnis beginnt. Von hier aus erstreckt sich zum einen das Bahuaja Nationalreservat, das zu den wenigen völlig unberührten Primärwäldern der Welt gehört, und auch der Tambopata Candamo Nationalpark. 1990 gegründet und 1,5 Millionen Hektar umfassend, beheimatet er 165 Baum-, und über 100 Säugetierarten in acht verschiedenen Lebenszonen, von tropischen Nebel- bis hin zum subtropischen Regenwald. In der Trockenzeit von Juni bis Oktober kann man hier den Dschungel besser fühlen, sehen und hören als überall sonst. Wir wissen nicht genau wie uns geschieht, unter dieser glühend heißen Sonne bei 35 Grad auf den staubigen Straßen dieser Stadt. Vor uns zieht hupend eines dieser kleinen dreirädrigen Taxis vorbei und hüllt uns in eine Wolke von Staub ein. Eine raue Dschungelstadt ist dieses 50.000 Seelen zählende Puerto Maldonado. Einst zu Zwecken der Kautschukgewinnung gegründet, verhalf besagter Highway mit der damit einhergehenden Erreichbarkeit zu neuer wirtschaftlicher Bedeutung, was sich weitestgehend am Tourismus bemerkbar macht. Hier im Amazonastiefland ist es immer warm und feucht. Die Jahreszeiten mögen wechseln, doch die Sonne bleibt. In der Regenzeit von Oktober bis April machen unpassierbare Straßen eine Reise hierher unmöglich.

Dschungellodge Corto Maltes
Unser Haus im Paradies (Bild: MaSan/Martin Seibel)

In die Wildnis
Wie die meisten Besucher hier versuchen auch wir, möglichst schnell wieder aus der Stadt heraus zu kommen. Unser Ziel ist eine Lodge, eine von mehreren in diesem Gebiet, die nur mit dem Boot zu erreichen ist. Am Busbahnhof werden wir bereits empfangen und aufgefordert, unser Gepäck in eines dieser lustigen kleinen Taxis zu werfen, das uns sogleich hinunter zum Ufer des Madre de Dios bringt. Wir verladen unser Gepäck auf einem kleinen, schmalen Boot und nehmen gegenüber Platz, damit es sich nicht zu stark zu einer Seite neigt, und am Bug lässt der Fahrer die Schraube seines Motors ins braune Wasser und legt ab. Langsam verschwinden die Geräusche Puerto Maldonados im Wind, und über das braune Wasser des Flusses hinweg sind nur noch Bäume zu sehen, sonst nichts. Nach einer einstündigen Fahrt taucht irgendwo in den Bäumen eine Anlegestelle auf, und unser Fahrer legt mit einem gekonnten Ruck das Boot in die Kurve und steuert geradewegs darauf zu. Mit unseren Rucksäcken laufen wir die hölzerne Treppe hoch, die das Niveau vom Fluss zum viel höher gelegenen Ufer überbrückt, und auf der großen Veranda der Lobby drückt man uns einen Drink in die Hand. Willkommen im Dschungel. Das Areal der Lodge ist herrlich. Der Komplex besteht aus wenigen hölzernen Hütten, die auf Stelen erhöht, was vor Schlangen schützen soll, mit Abstand zueinander stehen. Die Hütten haben keine geschlossenen Fenster und sind lediglich mit Moskitonetzen bespannt. Man schläft quasi im Wald. Ich lasse mich in die Hängematte auf unserer Terrasse fallen und schaue dem Ara zu, diesem knallroten Papagei, der sich auf dem Geländer vor mir niedergelassen hat und mich genauso verdutzt ansieht wie ich ihn.

Blick in die Baumkronen
EIn “Walking Tree” (Bild: MaSan/Martin Seibel)

Ein laufender Baum
Von unserer Lodge aus führt eine Vielzahl von kleinen Pfaden in den Dschungel hinein und wir können es kaum erwarten, mit unserem Guide John auf Erkundungstour zu gehen, der alsbald mit einer Machete in der Hand bei uns an die Tür klopft. John, wird sich herausstellen, ist im Dschungel geboren und kennt die vielen Wege wie seine Westentasche. Er weiß genau, wann welches Tier wo zu sehen ist und kann gar Tiere mit Lauten und Rufen anlocken. Das Faszinierende im ersten Moment, begibt man sich in den Dschungel, ist die laute Geräuschkulisse. Aus allen Richtungen dringt ein Sammelsurium von Lauten von nah und fern zu uns. Das Kuriose dabei: Man sieht zunächst kein einziges Tier. Jedes Lebewesen in dieser grünen Welt ist ein Meister der Tarnung und auf absolute Vorsicht bedacht. Es bedarf also, mucksmäuschenstill und vor allen Dingen geduldig zu sein. Gut also, dass wir einen Profi dabei haben, der an scheinbar bedeutungslosen Stellen plötzlich stehen bleibt und uns auf Wunder der Natur aufmerksam macht, die uns so nie aufgefallen wären. Ein kleiner Baum steht da am Wegrand. Etwa ein Meter vor dem Boden teilt sich sein Stamm in viele Einzelne, die scheinbar auf dem Boden stehen bleiben, also nicht in die Erde eindringen – ein Walking Tree, ein laufender Baum. „Die Bäume“, flüstert John , „stehen zueinander im ständigen Konkurrenzkampf um Licht.“

Ein laufender Baum
EIn “Walking Tree” (Bild: MaSan/Martin Seibel)

Ihr Überleben hängt von der Nutzung des Lichts ab, und nur wenig davon erreicht durch die Wipfel der Baumriesen überhaupt den Boden. So hat sich der Walking Tree eine ganz eigene Strategie überlegt. Er läuft einfach dorthin, wo die Lichtlage gerade günstig ist und verzichtet auf das Wurzelschlagen. Ein paar Meter weiter klopft John mit seiner Machete gegen einen Baum. Beim näheren Hinsehen bewegen sich auf der Rinde unzählige sogenannte Bullet-Ameisen, die ihrem Namen alle Ehre machen. Das Berühren einer solchen Ameise tut angeblich so weh, wie von einer Kugel getroffen zu werden. Der Baum geht mit den Ameisen eine Partnerschaft ein. Er lässt Sie an seinem Stamm leben, im Gegenzug schützen Sie ihn. Mir wird klar, dass im Kampf ums Überleben jedes Tier und jede Pflanze seine ganz eigene Strategie entwickelt hat. „Der Regenwald“, erzählt John, „ist ein sich selbst regulierendes System, keine Energie in ihm geht jemals verloren. Die Nährstoffe einer Pflanze, die stirbt, kehren sofort in den übergeordneten Kreislauf zurück.“ So setzt sich unser erster Streifzug durch das dichte Grün fort, und wir bekommen sogar noch einige Tiere zu Gesicht. Blaugelbe und knallrote Aras , grüne Macaws, eine Art übergroßes Meerschwein, jede Menge Insekten und sogar einen Affen. Auf dem Rückweg zur Lodge erklimmen wir noch einen aus Holz gebauten Aussichtsturm mitten im Dschungel.

Abendstimmung im Amazonas
Über den Baumkronen (Bild: MaSan/Martin Seibel)

Ein guter Wanderschuh ist eine Sache fürs Leben – Der Lowa Camino mit Leder-Innenfutter hat mich auf die höchsten Berge Perus gebracht und war auch in den tropischen Regionen des Landes ein zuverlässiger Wegbereiter. Ein leichter, bequemer Wanderschuh in hervorragender Qualität für leichte bis schwere Touren

Die Geräusche des Dschungels
Wir befinden uns nun im Obergeschoss des Waldes, im Lebensraum von Affen und Vögeln. Im Geschoss darunter, geschützt vor Sonne und Regen, befinden sich zwei Drittel aller Tiere. Aras, Tukane, Schlangen und Schmetterlinge. Im Erdgeschoss fühlen sich vor allem Insekten, Säugetiere wie der Tapir und natürlich der berüchtigte Jaguar am wohlsten. Es gibt Momente, welche magisch sind, die einem die Seele berühren. Des Abends über dem Dach des Regenwalds zu stehen, über ihn hinwegzusehen und zu lauschen, wie die Tagwelt von den Lebewesen der Nacht abgelöst werden, ist ein solcher Moment. Es ist so, als wenn urplötzlich die Welt erwacht. Erst sind es einige Insekten, die leise zu zirpen beginnen und dann unsagbar laut werden. Dazu gesellen sich die einzelnen Rufe von Vögeln und von Affen, bis schließlich der ganze Regenwald zu singen beginnt. Man kann förmlich spüren, wie sich nun, im Schutz der anbrechenden Dunkelheit, die Schlangen die Bäume hinab winden und die Augen des Jaguars, des größten Jägers dieser Gegend, erwachen, um den Tapir zu erlegen. Die untergehende Sonne lässt den Himmel über den Baumkronen feuerrot erscheinen und verschmilzt irgendwann, immer dunkler werdend, mit ihm und taucht das endlose Grün in tiefes Dunkelblau. Ich denke an den Geschichtenerzähler von Mario Vargas Llosa, wie dieser umherstreift in diesen Wäldern, von Dorf zu Dorf, um Geschichten zu erzählen. Dann gehen zurück zur Lodge, wo ich mich glücklich in unsere Hängematte gleiten lassen, und den Geräuschen so lange lausche, bis mir meine müden Augen zufallen.

El Lago Sandoval
Die nächsten Tage werden wir viele Ausflüge in den Dschungel unternehmen, werden eine Insel voller Affen bestaunen und des Nachts Kaimane und Tarantulas sehen. Einen Tukan, der sich auf dem Dach unserer Hütte niederlässt und lustig dreinschaut mit seinem riesigen Schnabel. Und sogar einen Jaguar, den König dieser Wälder – allerdings hinter Gittern in einem Schutzzentrum für ehemals in Gefangenschaft gehaltene Tiere, denen Volontäre aus der ganzen Welt ihre Zeit widmen, um diese letztlich wieder auszuwildern. Man muss schon großes Glück haben, um ein solch extrem scheues Tier wie den Jaguar in freier Wildbahn zu sehen. Als ich ihn mir aber so ansehe, bin ich ganz froh um die Tatsache, dass sich zwischen uns Stahlgitter befinden. Ein absolutes Highlight unseres Besuchs in den Tropen ist der Ausflug zum Lago Sandoval, einem See tief im Tambopata-Nationalpark. Dieser See ist ein Altwasserarm des Madre de Dios und nur mit besonderer Genehmigung zugänglich. Er ist umgeben von sogenanntem Primärurwald, was bedeutet, dass er von menschlichem Handeln gänzlich unberührt ist. Dazu fahren wir weit gen Osten auf dem Madre de Dios , bis wir endlich die Anlegestelle erreichen. Zu Fuß laufen wir anschließend durch den dichten Dschungel, sehen ganze Schwärme von Macaws , Aras , Adler, Affen – es ist wundervoll. Zwei Stunden später erreichen wir den See, wo wir mit einem kleinen Boot hinaus rudern, während uns ein paar wilde Affen interessiert anschauen.

Karte: Die Umgebung von Puerto Maldonado

„Psst“, flüstert uns John zu, und weist mit dem Zeigefinger in die Wipfel der Bäume am Ufer – ein Tukan, ich kann es kaum glauben. Vergnügt sitzt der wunderschöne Vogel in Etage drei und wirft eine Nuss in die Luft, die er gekonnt mit seinem großen bunten Schnabel wieder fängt. Einen Tukan zu sehen ist extrem selten und tröstet mich über die Tatsache hinweg, keinen Jaguar in freier Wildbahn gesehen zu haben. Kormorane breiten auf schwimmendem Gehölze ihre Flügel aus, Fledermäuse ruhen sich in Gruppen für die Nacht aus und Schmetterlinge tanken Energie auf den Köpfen von sich sonnenden Schildkröten, während eine Riesenotterfamilie interessiert unser Boot begutachtet. Stundenlang lassen wir uns am Ufer entlang treiben, bis die glühend heiße Sonne uns zur Rückkehr zwingt.

See Sandoval in Peru
Der Sandovalsee (Bild: MaSan/Martin Seibel)

Abschied
Welche Impressionen hinterlässt ein so imposanter Ort wie der Regenwald in in einem? Höre ich in mich hinein, ist die Antwort auf diese Frage klar und deutlich. Man bekommt ein Gefühl für die Größe und Erhabenheit der Natur, die einem dazu befähigt, sich klein und untergeordnet zu fühlen als Mensch, der man ist. In einer Welt, die immer schneller wird und in der Konsequenzen des eigenen Handelns verwischt werden, wird einem plötzlich wieder einmal bewusst, auf welch schmalem Grat wir Menschen uns bewegen, in dem uns scheinbar alles egal zu sein scheint. Doch unser Planet, unsere Natur, kennt eine Schmerzgrenze, und deshalb hat mich während meinem Besuch hier nicht selten die Traurigkeit überfallen. Die Traurigkeit darüber, dass es diesen Ort vielleicht nicht mehr lange geben wird, dass meine Kinder dieses Wunder nicht mehr erleben können. Für uns jedenfalls ist es Zeit für den Aufbruch. Nach zwei Wochen Peru sind wir voller Eindrücke über das bisher Gesehene – über die Anden, Machu Picchu den Amazonas. Es ist unglaublich, dass es eine solche Vielfalt in einem einzigen Land gibt. Unser Verdacht, das Beste schon gesehen zu haben, wird sich aber bald als falsch erweisen. Unsere letzte Etappe wird uns nach Huaraz führen, in die mächtigste Gebirgswelt Perus, der Cordillera Blanca. Weit über zwanzig Sechstausender werden ein Panorama bilden, das uns verzaubern wird.

Ein Affe im Dschungel
Bild: MaSan/Martin Seibel

Ein gut verarbeiteter Trekkingrucksack ist unabdingbar in Peru. Deuter oder Vaude stellen seit jeher sehr gut verarbeitete Rucksäcke mit vielen Einstellmöglichkeiten her

Zum Schluss, noch einiges Wissenswertes über das Amazonasgebiet
Das Amazonasgebiet ist ein Ort der Superlative. Fast acht Millionen km² zusammenhängender Wald machen es zum größten Waldgebiet der Erde. Es erstreckt sich durch neun Länder – über Ecuador, Kolumbien, Venezuela, Surinam und französisch Guyana über das riesige Brasilien und Bolivien bis ins westliche Peru. Der gleichnamige im Hochland entspringende Fluss Amazonas ist mit etwa 6.500 km der längste des Planeten. Wie ein Gürtel schmiegen sich die Regenwälder Südamerikas, es sind mehr als die Hälfte der Welt, um den Äquator und bieten optimale klimatische Bedingungen für eine unglaubliche biologische Vielfalt. Mehr als die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten lebt hier. In Zahlen sind das mehr als 60.000 Pflanzen-, 1000 Vogel-, 300 Säugetier und 2000 Fischarten. Es ist jedoch von noch mit viel mehr bis heute unbekannte Arten zu rechnen. Es gibt über 3000 Baumarten, die in der Regel 60 Meter hoch und bis zu 1400 Jahre alt werden. Auf einem Hektar lassen sich bis zu 400 verschiedene Arten finden. Zum Vergleich: in ganz Europa gibt es etwa 50 Baumarten. Zudem gibt es etwa 400 indigene Völker, von denen einige bis heute in völliger Abgeschiedenheit, ohne jeglichen Kontakt zur westlichen Zivilisation leben.

Karte: Das Amazonasgebiet Südamerikas umfasst neun Länder

Regenwaldtypen
Als Regenwälder, aus denen sich das Amazonasgebiet ja zusammensetzt, bezeichnet man Wälder mit besonders hoher Feuchtigkeit, die aus hohen Niederschlägen von mehr als 2.000 mm resultiert. Man unterscheidet drei Typen Regenwald voneinander: Den immergrünen Tieflandregenwald (Terra Firme), Wälder mit nährstoffarmen Böden (Campina Wald) sowie Überschwemmungswälder (Igapó und Várzea).

Riesige Baumwurzel im Dschungel
Bild: MaSan/Martin Seibel

Klima
Im Amazonasgebiet herrscht ein sogenanntes Tageszeitenklima, was bedeutet, dass der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht höher ist als der Temperaturunterschied zwischen dem kältesten und wärmsten Monat im Jahr. Anstatt Jahreszeiten spricht man auch von Zeiten des Hochwassers und Nichthochwassers, in denen der Wasserspiegel um ganze 15 Meter schwanken kann. Zur Regenzeit können Bäume bis zu den Wipfeln unter Wasser stehen.

ein große Anzahl kleiner Pilze im Amazonas
Leben überall (Bild: MaSan/Martin Seibel)

Bedeutung für die Erde
Allein die genannte Biodiversität sollte Anlass sein, die Regenwälder des Amazonasgebiets mit allen Mitteln zu schützen. Daneben kommt ihnen aber auch eine Schlüsselrolle für das Weltklima zu, denn Sie binden 12% des gesamten vorhandenen Süßwassers der Erde, was wiederum Einfluss auf die Erdatmosphäre hat. Das durch Verdunstung entstehende riesige Wolkendach schützt die Erdoberfläche vor Erwärmung. Jegliche Zerstörung mindert also den Kühleffekt. Dazu kommt noch, dass durch Abholzung bzw. Rodung Treibhausgase freigesetzt werden, die in der Biomasse gespeichert ist. Man geht davon aus, dass etwa 90 bis 140 Milliarden Tonnen CO2 im Amazonasgebiet gespeichert sind, was sage und schreibe 100 Jahre Emissionen aller Industrienationen auf derzeitigem Niveau bedeutet. Die Rodung der Regenwälder ist schon jetzt für ein Fünftel aller freigesetzten Treibhausgase verantwortlich.

Tukan im peruanischen Regenwald
Ein Tukan (Bild: MaSan/Martin Seibel)

Zerstörung der Regenwälder
Jeden Tag werden sage und schreibe 480 Millionen m² Regenwald in der Amazonasregion abgeholzt und abgebrannt, was einer Fläche der Größe München entspricht. Pro Minute sind das, versinnbildlicht, 35 Fußballfelder. Allein zwischen 2000 und 2005 wurden 1,08 Millionen km² Regenwald zerstört. In Brasilien, dem Land mit den größten Regenwaldflächen, sind 20% bereits unwiederbringlich vernichtet, und das ist erst der Anfang. Ursachen für dieses ökologische Desaster ist die Gier nach Holz, Gold, Erz, Öl und vor allen Dingen die Viehzucht. Für den rasant wachsenden Fleischkonsum vor allem in Brasilien werden nicht nur immer größere Weideflächen gebraucht, sondern auch gigantische Anbauflächen für Soja, der als billiges Tierfutter dient. Doch Soja wird ebenfalls in riesigen Mengen nach Europa exportiert, wo es einerseits als Kraftfutter für unsere Tiere herhalten muss, und andererseits als Beimischung zu Biodiesel, was vollkommen absurd ist. Der Reichtum durch den Export geht natürlich an heimische Kleinbauern – kleiner Scherz! Die Kohle kassieren internationale Großkonzerne, heimische Kleinbauern schauen wie immer in die Röhre, weil ihnen durch das ganze Soja die Flächen für den eigenen Anbau unter den Füßen weggezogen wird. Zur gleichen Zeit klopft sich der Europäer beim Tanken von Biodiesel selbst auf die Schuler, weil er meint, etwas für die Umwelt zu tun.

Viele Papageie auf einem Baumstumpf
Bild: MaSan/Martin Seibel

Fast alle Tropenreisenden schwören auf Nobite mit hohem DEET-Anteil

Die Hoffnung stirbt zuletzt
Sagen wir es mal so, ganz desillusioniert. Es ist zu spät! Wir werden weder heute noch morgen mit der Zerstörung unserer Welt aufhören. Wir werden heute wie morgen unsere Ozeane plündern und unsere Regenwälder abholzen, das scheint unser Wesen zu sein. Doch es gibt Hoffnung, wie folgendes abschließendes Beispiel zeigen soll. In Ecuador herrscht seit 1967 ein massiver Erdölboom. Zwischen 1972 bis 1993 ereignete sich, verursacht von der Firma Texaco , die bis dato größte Erdölkatastrophe der Welt. 115 Milliarden Liter Öl verseuchten das Land. Nun hat man wieder Öl gefunden, im Yasuni Nationalpark , einem der artenreichsten Regenwälder der Welt. Darunter vermutet man ein riesiges Ölfeld. Die Regierung Ecuadors hat nun angeboten, das Öl im Boden zu lassen, wenn die internationale Staatengemeinschaft die Hälfte des entgangenen Gewinns bezahlt. Das Geld fließt in den Schutz der Biodiversität und in die Förderung erneuerbarer Energien. Na also, es geht doch!

Blick von einem riesigen Baum im Regenwald
Bild: MaSan/Martin Seibel

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Ma San

7 Kommentare

  • Renate

    Hallo Martin,

    wunderschöne, stimmungsvolle Reisebeschreibung. Wenn ich dann beim Lesen noch den Sound anklicke, komme ich mir vor als sei ich vor Ort.. Mit dem Schiff sind wir bis Iquitos gekommen. So weit oben waren wir nicht. In einem anderen Jahr haben wir mal in einer Dschungellodge in der Nähe von Manaus gewohnt.

    Mich fasziniert diese letzte wilde Landschaft, die Geräusche der Tier, die grüne Pracht und der riesige Fluss. Eine Reise dorthin war so etwas wie ein Lebenstraum, den ich mir erfüllt habe.

    Liebe Grüße
    Renate

  • MaSan

    Hallo Renate. Vielen Dank für deinen Kommentar, der übrigens auch der erste auf meiner recht jungen Website ist. Auch für mich hat sich mit dieser Reise ein Traum erfüllt. Die Wildheit Perus war so, so beeindruckend. Vielen Dank nochmal für LEsen, und schau mal wieder vorbei!

    LG,
    Martin

  • Barbara

    Hallo Martin, ein echt toller inspirierender Bericht über den Dschungel. Wir fliegen diesen Juni nach Peru. Ein Ausflug in den Dschungel ist nun fix eingeplant. Wie hieß denn die Lodge in der ihr wart?
    Alles Liebe,
    Barbara von B. and the World

    • MaSan

      Hallo Barbara,
      vielen Dank für deinen Kommentar. Die Lodge hieß Corto Maltes und war einfach nur herrlich. Jedoch wäre ich mir nicht sicher, ob ich die Unterkunft noch einmal wählen würde. Die Sache ist die: Diese Lodge ist die erste, die man von Puerto Maldonado aus erreicht und deshalb nahe an der Zivilisation. Zwar ist sie umgeben von dichtem Dschungel, jedoch handelt es sich dabei nicht um sogenannten Primärurwald. Ich würde das nächste Mal aus diesem Grund eine Unterkunft in der Zona Reservada wählen, die von Primärdschungel umgeben ist. Zwar unternimmt man auch von Corto Maltes Ausflüge dorthin. Dort aber direkt zu übernachten wäre noch viel spannender. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, direkt am Lago Sandoval zu übernachten, ich glaube die Lodge heißt auch so, also Sandoval Lodge. Zwar ist die Lodge besimmt nicht so toll wie Corto Maltes, aber halt in der Zone. Bei Nacht an dem See zu übernachten, ist bestimmt Hammer, zumal die ganzen Tiere zum Trinken dorthin kommen. Übrigens – wenn ihr viel Zeit habt, würde ich Den Nationalpark Manu vorziehen!

      LG
      MaSan

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