China,  unterwegs

Die chinesische Mauer bei Simatei

Die sehenswertesten Abschnitte der Chinesischen Mauer bei Peking

Steil führen die Stufen nach oben in die Höhe. Geborsten sind sie durch die Jahrhunderte, und wir müssen unsere Hände benutzen, um es, quasi auf allen Vieren, bis nach oben zu schaffen. Auch die Umfassungsmauern wirken Kilometer für Kilometer immer zerfallener. Doch, je desolater der Zustand auch wird, desto mehr gefällt sie mir, die „unvorstellbar lange Mauer“ wie sich ihr chinesischer Name in etwa übersetzen lässt. Desto mehr fühle ich mich zurück versetzt in eine längst vergangene Zeit, desto mehr spüre ich die Macht des alten Chinas. Um uns herum sind Berge, nichts als Berge zu sehen, und hoch und runter windet sich diese Mauer über deren Kämme, wie ein mächtiger, nie aufhörender Drache. Über uns bildet der blaue Himmel des chinesischen Sommers einen wunderschönen Kontrast zu dieser kargen Landschaft. Während wir auf dem Rücken des Drachens entlang gehen, still, nichts hörend außer unsere eigenen Schritte, scheint es, als gehöre uns die ganze Welt, als würde diese still stehen – und ich wünsche mir insgeheim, auf ewig so weiter zu gehen.

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Simatai (Bild: MaSan/Martin Seibel)

“He who has never climbed the Great Wall is not a true man” – Máo Zédōng
Direkt vor Peking liegen gleich mehrere hundert Kilometer der großen chinesischen Mauer. Mit 21.000 Kilometern größtes Bauwerk der Welt, sogar vom Weltraum aus sichtbar, strahlt sie eine so starke Faszination aus, dass sie ein fester Bestandteil eines jeden Reiseplans aller ist, die die chinesische Hautstadt zum ersten Mal besuchen.

Badaling
Der bekannteste und am besten erhaltene, 1957 für Touristen zugänglich gemachte Abschnitt Badaling wird Jahr für Jahr von Millionen Touristen besucht. Wunderschön gelegen in einer spektakulären Landschaft, ist dieser in weniger als zwei Stunden erreichbar. Dies macht ihn zu einem Abschnitt der Massen, und Masse macht in China – Badaling wird täglich von hunderten Reisebussen attackiert – der Bedeutung des Wortes alle Ehre.

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Badaling – So schön dieser Mauerabschnitt auch ist, für sich alleine hat man ihn nicht (Bild: MaSan/Martin Seibel)

Mutianyu
Dicht gefolgt, was die Anzahl der Besucher angeht, geht es in Mutianyu doch merkbar gemächlicher zu als in Badaling. 70 km von Peking entfernt, wird die Mauer hier von vielen als der beste und schönste Abschnitt verehrt. Der ehemalige nördliche Verteidigungswall der chinesischen Hauptstadt, der nomadische Stämme außerhalb des Reiches halten sollte, ist zugleich auch eines der am besten erhaltenen Mauersegmente. Mutianyu hat den Ursprung bereits im 6. Jahrhundert und ist dadurch deutlich älter als Badaling. Die heute Erscheinung stammt allerdings aus der Ming Dynastie (1368-1644). Von 1982 bis 86 wurde Mutianyu, wie Badaling zuvor, der Öffnung für den Tourismus wegen größtenteils restauriert. Mächtige Verteidigungstürme lassen sich auf dem etwa 2 km langen zugänglichen Abschnitt bestaunen. Die nahe gelegenen Dörfer wurden von den ursprünglichen Erbauern der Mauer gegründet, stehen sinnbildlich für das ländliche China und sind in jedem Fall einen Abstecher wert. Hier kann man wunderbar der Hektik der Großstadt entfliehen und sich mit den Einheimischen, die einem immer ein Lächeln schenken, über längst vergangene Zeiten unterhalten.

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Simatai (Bild: MaSan/Martin Seibel)

Von Jinshanling nach Simatai
Wer dagegen auf der unrestaurierten Mauer wandern will und bereit ist, ein wenig mehr Zeit zu investieren – ein Trick, der sich übrigens in ganz China fast immer lohnt – für den ist der 120 km von Peking liegende Abschnitt zwischen Jingshanling und Simatai genau der Richtige. Dieser isolierte und wunderschön gelegene Abschnitt ist seit 1570 weitestgehend unangetastet und daher im Originalzustand zu bestaunen. In der Ming Dynastie zwischen 1368 und 1389 gebaut, passiert man entlang des etwa 11 km langen Weges dutzende Wehrtürme. Immer in Sichtkontakt zueinander liegend, um per Feuer das Herannahen des Feindes, der nordischen Reitervölker, zu kommunizieren, dienten diese zur Abwehr und als Waffenlager. Während die Mauer bei Jinshanling in ihren ursprünglichen Zustand versetzt wurde, wirkt sie mit jedem Meter, den man in Richtung Simatai zurücklegt, zerfallener, älter, einzigartiger. Und genau das macht den Charme dieses Abschnittes aus. Jeder Schritt ist ein Schritt weiter in die Vergangenheit, in das alte China. Empfehlenswert ist es, sich einer Tour wie beispielsweise von Beijing Downtown Backpackers anzuschließen, die ich an dieser Stelle herzlichst empfehlen möchte. Man wird in Jinshanling abgesetzt und später in Simatai wieder abgeholt. So lässt man in Kürze die ohnehin wenigen Besucher hinter sich und hat auf der vierstündigen Wanderung, die man nie vergessen wird, bis nach Simatai die Mauer, diese „unvorstellbar lange Mauer“ ganz für sich allein.

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Simatai (Bild: MaSan/Martin Seibel)

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